Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
Lügner dieser Mann gewesen war!
»Viele unserer Genossen müssen in dreckstarrenden Gefangenenlagern leiden«, sagte Teresa leise.
»Du weißt nicht, was mit meinem Freund Lenny Griffiths passiert ist?«, fragte Lloyd.
Teresa schüttelte den Kopf. »Nach Belchite habe ich ihn nicht mehr gesehen.«
»Und du?«
»Ich bin vor Francos Männern geflohen, hier gelandet und habe eine Arbeit als Kellnerin bekommen … und ich habe eine neue Aufgabe gefunden.«
»Was für eine?«
»Ich bringe geflohene Kriegsgefangene über die Berge. Deshalb haben die Gendarmen dich zu mir gebracht.«
Lloyd fasste neuen Mut. Er hatte die Flucht allein durchstehen wollen, hatte aber Angst gehabt, den Weg nicht zu finden. Jetzt hatte er vielleicht eine ortskundige Führerin.
»Da sind noch zwei andere Männer, die auf mich warten«, sagte Teresa. »Ein britischer Kanonier und ein kanadischer Pilot. Sie sind in einem Bauernhof in den Hügeln.«
»Wann wollt ihr über die Grenze?«
»Heute Nacht«, antwortete Teresa. »Trink nicht zu viel Wein.«
Sie ging wieder nach unten. Nach einer halbe Stunde kam sie mit einem alten, zerrissenen braunen Mantel zurück. »Den wirst du brauchen«, sagte sie. »Wo wir hingehen, ist es kalt.«
Sie schlichen sich aus der Küche und suchten sich im Sternenlicht ihren Weg durch die kleine Stadt. Nachdem sie die Häuser hinter sich gelassen hatten, folgten sie einem Feldweg bergauf. Nach einer Stunde erreichten sie eine kleine Gruppe von Steingebäuden. Teresa pfiff. Eine Scheunentür öffnete sich, und zwei Männer traten heraus und kamen zu ihnen.
»Hört jetzt gut zu, Leute«, sagte Teresa auf Englisch zu Lloyd und den beiden Neuankömmlingen. »Wir benutzen nur falsche Namen, verstanden? Ich bin Maria, und ihr beide seid Fred und Tom. Unser neuer Freund hier«, sie blickte auf Lloyd, »ist Leandro.« Die Männer schüttelten sich die Hände. Teresa fuhr fort: »Es wird nicht geredet und nicht geraucht. Kann jemand nicht mehr mithalten, wird er zurückgelassen. Alle bereit?«
Von nun an ging es steiler den Berg hinauf. Lloyd rutschte immer wieder auf losen Steinen aus. Dann und wann musste er sich an einem Strauch neben dem Pfad festhalten und sich nach oben ziehen.
Die zierliche Frau legte ein Tempo vor, das die drei Männer nach kurzer Zeit ins Schwitzen brachte. Teresa hatte eine Taschenlampe dabei, wollte sie aber nicht benutzen, solange die Sterne noch zu sehen waren, um an der Batterie zu sparen.
Die Luft wurde immer kälter. Nachdem sie durch einen eisigen Bach gewatet waren, spürte Lloyd seine Füße nicht mehr.
Ungefähr eine Stunde später sagte Teresa: »Achtet jetzt darauf, mitten auf dem Pfad zu bleiben.« Lloyd schaute nach unten und sah, dass sie sich auf einem schmalen Grat zwischen zwei Abhängen befanden. Als ihm klar wurde, wie tief es zu beiden Seiten hinunterging, wurde ihm schwindlig. Rasch hob er den Blick und konzentrierte sich auf Teresas dunkle, schemenhafte Gestalt. Unter normalen Umständen hätte er jede Minute in ihrer Gesellschaft genossen, aber er war so müde und durchgefroren, dass er keinen Blick für weibliche Schönheit hatte.
Und die Berge waren nicht unbewohnt. Einmal bellte in der Ferne ein Hund; dann hörten sie ein unheimliches Läuten, das die Männer in Schrecken versetzte, bis Teresa ihnen erklärte, dass die Schäfer ihren Tieren hier im Gebirge Glocken um die Hälse banden, um sie in der Weite der Landschaft leichter finden zu können.
Während sie in monotonem Rhythmus dahinstapften, dachte Lloyd an Daisy. War sie noch immer auf Tŷ Gwyn? Oder war sie zu ihrem Mann zurückgekehrt? Er hoffte, dass sie nicht wieder nach London gefahren war, denn die Stadt wurde jede Nacht bombardiert; so jedenfalls hatte er es in französischen Zeitungen gelesen. Lebte Daisy überhaupt noch? Würde er sie je wiedersehen? Und was würde sie dann für ihn empfinden?
Alle zwei Stunden legten sie eine kurze Rast ein, tranken Wasser und ein paar Schluck von dem Wein, den Teresa in einem ledernen Trinkbeutel mit sich führte.
Gegen Morgen begann es zu regnen. Der Untergrund wurde tückischer, und sie stolperten und rutschten immer wieder aus. Doch Teresa dachte nicht daran, das Tempo zu verlangsamen. »Freut euch lieber, dass es nicht schneit«, sagte sie.
Im Tageslicht konnte sie die spärliche Vegetation sehen. Felsen ragten wie Grabsteine in die Höhe. Es regnete noch immer, und ein kalter Nebel behinderte die Sicht.
Nach einiger Zeit bemerkte Lloyd, dass sie
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