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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Nachdenken. Wahrscheinlich war der Junge erleichtert, weil er nicht direkt verhaftet und in die Prinz-Albrecht-Straße verschleppt wurde.
    Doch Werner war noch nicht gänzlich eingeschüchtert. Er hatte sogar noch den Schneid, seinen Besucher zu fragen: »Undwarum soll ich mich nicht mehr danach erkundigen, wie mein Bruder gestorben ist?«
    »Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollen meine Autorität nicht infrage stellen. Sie sollten sich darüber im Klaren sein, dass Sie nur deshalb mit Samthandschuhen angefasst werden, weil Ihr Vater ein geschätzter Freund der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei ist. Wäre das anders, wären Sie jetzt in meinem Büro.« Diese Drohung verstand jeder.
    »Ich bin Ihnen dankbar für Ihre Nachsicht«, sagte Werner und versuchte, wenigstens einen Hauch von Würde zu bewahren. »Aber ich will wissen, wer meinen Bruder getötet hat und warum.«
    »Sie werden gar nichts mehr erfahren, egal, was Sie tun. Weitere Nachforschungen Ihrerseits wird man als Landesverrat betrachten.«
    »Nach Ihrem Besuch hier sind weitere Nachforschungen wohl auch gar nicht nötig«, erwiderte Werner kalt. »Es ist offensichtlich, dass ich mit meinen schlimmsten Befürchtungen recht gehabt habe.«
    »Ich warne Sie. Stellen Sie Ihre aufrührerische Kampagne ein. Sofort!«
    Werner starrte Macke trotzig an, schwieg aber.
    »Sollten Sie dem nicht entsprechen«, fuhr Macke fort, »wird General Dorn darüber informiert, dass Ihre Loyalität angezweifelt werden darf.«
    Werner wusste, was das bedeutete: Er würde seinen ruhigen Posten in Berlin verlieren und in eine Kaserne in Nordfrankreich verlegt werden. Tatsächlich schaute er nun weniger trotzig, eher nachdenklich drein.
    Macke stand auf. Er hatte hier genug Zeit verbracht. »Offensichtlich betrachtet General Dorn Sie als fähigen und intelligenten Ordonnanzoffizier«, sagte er. »Und das wird auch so bleiben, wenn Sie von nun an das Richtige tun.«
    Macke verließ den Raum, gereizt und unzufrieden. Er war nicht sicher, ob es ihm gelungen war, Werner Francks Widerstand zu brechen, im Gegenteil: Bis zuletzt hatte er Trotz bei dem Jungen gespürt.
    Macke richtete seine Gedanken auf Pastor Ochs. Ihn würde er anders angehen müssen. Er kehrte in die Gestapo-Zentrale zurückund scharte einen kleinen Trupp um sich: Reinhold Wagner, Klaus Richter und Günther Schneider. Sie stiegen in einen schwarzen Mercedes 260D, aufgrund seiner Unauffälligkeit das Lieblingsmodell der Gestapo, denn viele Berliner Taxis waren vom gleichen Typ und von gleicher Farbe. In den Anfangstagen hatte man die Gestapo ermutigt, so auffällig wie möglich zu sein, damit jeder mitbekam, wie gnadenlos das Regime auf Volksfeinde reagierte. Inzwischen aber war die deutsche Bevölkerung eingeschüchtert genug; offene Gewalt war nicht mehr erforderlich. Nun agierte die Gestapo eher diskret und stets unter dem Deckmantel der Legalität.
    Macke und seine Leute fuhren zu Ochs’ Haus neben der großen protestantischen Kirche in Berlin-Mitte. So wie Werner offenbar glaubte, durch seinen Vater geschützt zu sein, schien Ochs sich unter den Fittichen der Kirche sicher zu fühlen. Na, jetzt würde er lernen, wie sehr er sich da irrte.
    Macke klingelte an der Tür. Früher hätte er die Tür einfach eingetreten, schon um der einschüchternden Wirkung willen.
    Eine Zofe ließ Macke ein. Er betrat einen breiten, gut ausgeleuchteten Flur mit gebohnertem Parkett und schweren Teppichen. Die drei Mitarbeiter Mackes folgten ihm. »Wo ist der Hausherr?«, fragte Macke die Zofe mit freundlicher Stimme.
    Er hatte sie nicht bedroht; trotzdem hatte sie Angst. »Er ist in seinem Arbeitszimmer«, sagte sie und deutete auf eine Tür.
    Macke wandte sich an Wagner. »Schaffen Sie alle Frauen und Kinder in den Nebenraum.«
    Ochs öffnete die Arbeitszimmertür, schaute in den Flur und legte die Stirn in Falten. »Was ist hier los?«, fragte er aufgebracht.
    Macke ging drohend auf ihn zu und zwang ihn, zurückzuweichen, sodass er ins Zimmer konnte. Das Büro war klein und beengt, mit einem lederbezogenen Schreibtisch und Regalen voller Bibelkommentare.
    »Machen Sie die Tür zu«, befahl Macke.
    Widerwillig tat Ochs wie ihm geheißen. Dann sagte er: »Ich hoffe in Ihrem Interesse, dass Sie eine gute Erklärung für Ihr Eindringen haben.«
    »Setzen Sie sich, und halten Sie den Mund!«, fauchte Macke.
    Ochs war wie vor den Kopf geschlagen. Wahrscheinlich hatteman ihm zum letzten Mal gesagt, er solle den Mund halten, als

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