Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
Angelegenheit nie wieder mit jemandem reden werden.«
»Ja, ja, das werde ich. Was machen Ihre Männer mit meiner Frau?«
»Nichts. Sie schreit, weil sie weiß, was mit ihr passieren wird, falls Sie sich weigern, den Brief zu schreiben.«
»Ich will sie sehen.«
»Es wird ihr noch sehr viel schlimmer gehen, wenn Sie mich weiter mit Ihren dummen Forderungen verärgern.«
»Natürlich. Tut mir leid. Bitte entschuldigen Sie.«
Macke verzog den Mund. Der Mann war ein typischer Feind der Nationalsozialisten, schwach und feige. »Schreiben Sie den Brief noch heute Abend, und schicken Sie ihn morgen früh ab.«
»Ja. Soll ich Ihnen eine Kopie zukommen lassen?«
»Er wird ohnehin auf meinem Schreibtisch landen, Sie Idiot. Glauben Sie etwa, der Herr Minister gibt sich mit Ihrem schwachsinnigen Gekritzel ab?«
»Nein, nein, natürlich nicht. Ich verstehe.«
Macke ging zur Tür. »Und halten Sie sich von Leuten wie Walter von Ulrich fern.«
»Das werde ich. Versprochen.«
Macke ging hinaus und winkte Wagner, ihm zu folgen. Die kleine Lieselotte saß im Flur auf dem Boden und schrie herzzerreißend. Macke öffnete die Salontür und rief Richter und Schneider zu sich. Dann verließen sie das Haus.
»Manchmal ist Gewalt unnötig«, bemerkte Macke nachdenklich, als sie in den Wagen stiegen.
Wagner setzte sich ans Steuer, und Macke nannte ihm die Adresse der von Ulrichs.
»Manchmal ist sie aber auch der einfachste Weg«, führte Macke seinen Gedanken fort.
Die von Ulrichs wohnten nicht weit von der Kirche entfernt. Ihr Haus war ein geräumiges altes Gebäude, dessen Unterhalt sie sich offensichtlich nicht mehr leisten konnten. Die Farbe bröckelte ab; das Geländer war verrostet, und ein zerbrochenes Fenster war mit Pappe geflickt. Das war nicht ungewöhnlich. In Kriegszeiten wurden viele Häuser nicht mehr instand gehalten.
Eine Zofe öffnete die Tür. Macke vermutete, dass sie die Frau war, mit deren behindertem Kind der ganze Ärger angefangen hatte, aber er fragte nicht nach. Es hatte keinen Sinn, die Frau zu verhaften.
Walter von Ulrich erschien im Flur.
Macke erinnerte sich an diesen Mann. Er war der Vetter von Robert von Ulrich, dessen Restaurant Macke und sein Bruder vor acht Jahren gekauft hatten. Damals war Walter noch stolz und arrogant gewesen. Jetzt trug er einen zerschlissenen Anzug, doch sein Auftreten war noch immer kühn.
»Was wollen Sie?«, fragte er und versuchte, sich so zu geben, als besäße er noch immer politische Macht.
Macke wollte keine Zeit verschwenden. »Fesseln«, befahl er seinen Männern.
Wagner trat mit den Handschellen vor.
Eine große, gut aussehende Frau erschien im Flur und stellte sich vor Walter hin. »Sagen Sie mir auf der Stelle, wer Sie sind und was Sie hier wollen«, verlangte sie. Offensichtlich war sie von Ulrichs Ehefrau. Sie sprach mit einem leichten ausländischen Akzent. Macke verwunderte das nicht.
Wagner schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht, und sie taumelte zurück.
»Drehen Sie sich um, und nehmen Sie die Arme hinter den Rücken«, sagte Wagner zu Walter von Ulrich. »Wenn Sie Widerstand leisten, schlage ich Ihnen die Zähne ein.«
Von Ulrich gehorchte.
Eine hübsche junge Frau in einer Schwesternuniform kam mit schnellen Schritten die Treppe herunter. »Vater!«, rief sie. »Was ist hier los?«
Macke fragte sich, wie viele Leute wohl noch in diesem Haus wohnten. Allmählich machte er sich Sorgen. Wenn diese Horde weiter anwuchs, konnte sie ausreichend Chaos verursachen, um vonUlrich die Flucht zu ermöglichen. Aber Mackes Sorge war unbegründet, denn von Ulrich rief seiner Tochter zu: »Widersetz dich ihnen nicht! Bleib zurück!«
Die junge Frau riss entsetzt die Augen auf, gehorchte aber.
Macke sagte: »Bringt ihn zum Wagen.«
Wagner zerrte von Ulrich zur Haustür.
Seine Frau begann zu schluchzen.
»Wo bringen Sie ihn hin?«, fragte die Tochter.
Macke ging zur Tür und blickte noch einmal zu den drei Frauen zurück. »So ein Palaver«, sagte er abfällig. »Und alles nur wegen einem acht Jahre alten Vollidioten! Ich werde euch Leute nie verstehen.«
Er ging hinaus und stieg in den Wagen.
Sie fuhren das kurze Stück bis in die Prinz-Albrecht-Straße. Wagner parkte hinter der Gestapo-Zentrale neben einem Dutzend anderer schwarzer Wagen. Dann stiegen die Männer aus.
Sie brachten von Ulrich durch eine Hintertür ins Gebäude, führten ihn in den Keller und zerrten ihn in einen weiß gefliesten Raum.
Macke öffnete einen Schrank und
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