Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
Information, für die er je einen Privatdetektiv bezahlt hatte. Wenn sie nicht umgezogen war, wohnte sie gleich hinter der Union Station. Er hatte ihr versprochen, niemals dorthin zu kommen, aber jetzt konnte er ihr endlich sagen, dass solche Vorsicht nicht mehr nötig war.
Greg fuhr mit dem Taxi. Er war froh, endlich einen Schlussstrich unter seine Affäre mit Jacky ziehen zu können. Sie war seine erste Geliebte und bedeutete ihm schon von daher sehr viel, aber er wollte auf keinen Fall Teil ihres Lebens sein. Was für eine Erleichterung, wenn sie ihm endlich nicht mehr auf dem Gewissen lag. Wenn er ihr das nächste Mal begegnete, brauchte sie keine Todesangst mehr zu haben. Dann konnten sie ein bisschen plaudern und wieder getrennte Wege gehen.
Das Taxi brachte Greg in eine ärmliche Gegend, die von einstöckigen Häusern beherrscht wurde, deren kleine Grundstücke von niedrigen Maschendrahtzäunen umschlossen wurden. Er fragte sich, wie Jacky lebte. Was tat sie an den Abenden, die sie unbedingt freihaben wollte? Bestimmt ging sie mit ihren Freundinnen ins Kino. Besuchte sie die Footballspiele der Washington Redskins? Schaute sie sich die Nats an, das Baseballteam der Stadt?
Als er sie nach männlichen Freunden gefragt hatte, war sie verschlossen gewesen. Vielleicht war sie verheiratet und konnte sich nur keinen Ring leisten. Nach Gregs Rechnung war sie mittlerweile vierundzwanzig. Wenn sie nach dem Richtigen gesuchthatte, musste sie ihn mittlerweile gefunden haben. Aber sie hatte nie einen Ehemann erwähnt, und der Detektiv ebenso wenig.
Greg bezahlte sein Taxi vor einem kleinen, ordentlichen Haus mit Blumentöpfen im betonierten Vorgarten – häuslicher, als er erwartet hätte. Kaum öffnete er das Gartentor, als ein Hund bellte. Er trat auf die Veranda und klingelte. Das Bellen wurde lauter. Es klang nach einem großen Hund, aber das konnte täuschen.
Niemand kam an die Tür.
Als der Hund verstummte, hörte Greg das typische Schweigen eines leeren Hauses.
Neben der Tür stand eine Holzbank. Er setzte sich und wartete ein paar Minuten. Niemand kam. Kein hilfsbereiter Nachbar erschien und sagte ihm, Jacky sei für ein paar Minuten, den ganzen Tag oder zwei Wochen fort. Schließlich erhob sich Greg, ging ein paar Blocks weit, kaufte die Sonntagsausgabe der Washington Post und kehrte auf die Bank zurück, um zu lesen. Der Hund bellte wieder; das Tier wusste, dass der Fremde noch da war.
Heute war der 1. November, und Greg war froh, seinen olivgrünen Uniformmantel und die Schirmmütze zu tragen; der Winter stand vor der Tür. Am Dienstag fand die Zwischenwahl statt, und die Post prognostizierte, dass den Demokraten wegen Pearl Harbor eine Abreibung bevorstand. Der japanische Überfall hatte Amerika verändert. Erstaunt wurde Greg sich bewusst, dass die Katastrophe noch kein Jahr zurücklag. In diesen Tagen starben junge Amerikaner seines Alters auf einer Insel, von der man nie zuvor gehört hatte: Guadalcanal.
Greg hörte, wie das Gartentor klickte, und hob den Blick.
Zuerst bemerkte Jacky ihn nicht, und er konnte sie einen Augenblick lang betrachten. Sie wirkte respektabel mit ihrem dunklen Mantel und dem schmucklosen Filzhut. In der Hand hielt sie ein Buch mit schwarzem Einband. Hätte Greg sie nicht besser gekannt – er hätte geglaubt, sie käme von der Kirche nach Hause.
Sie hatte einen kleinen Jungen bei sich. Er trug einen Tweedmantel und eine Mütze und hielt ihre Hand.
Der Junge sah Greg zuerst. »Guck mal, Mommy, auf unserer Bank sitzt ein Soldat!«
Jacky entdeckte Greg und schlug die Hand vor den Mund.
Greg erhob sich, während die beiden die Stufen zur Verandahinaufkamen. Ein Kind! Den Jungen hatte sie geheim gehalten. Darum also musste sie abends zu Hause sein. Dass ein Kind der Grund dafür war, wäre Greg nie in den Sinn gekommen.
»Ich hatte dich doch gebeten, nicht hierherzukommen«, sagte Jacky, während sie den Schlüssel ins Schlüsselloch steckte.
»Ich wollte dir nur sagen, dass du vor meinem Vater keine Angst mehr zu haben brauchst«, erwiderte Greg und fügte hinzu: »Ich wusste gar nicht, dass du einen Sohn hast.«
Der Junge und Jacky betraten das Haus. Greg blieb erwartungsvoll an der Tür stehen. Ein Schäferhund knurrte ihn an und blickte zu Jacky auf, als wollte er fragen, wie er sich verhalten solle. Jacky funkelte Greg an. Offenbar erwog sie, ihm die Tür vor der Nase zuzuknallen. Dann aber seufzte sie verärgert und wandte sich ab, ließ die Tür aber offen.
Greg
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