Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
gewagt. Vielleicht wurde es Zeit.
Ich mache es genauso, wie er es tun würde, beschloss Greg.
Er nippte an seinem Martini und setzte das Glas auf einem Beistelltisch mit Spinnenbeinen ab. Beiläufig sagte er zu Gladys: »Als ich fünfzehn war, hat mein Vater mir eine Schauspielerin namens Jacky Jakes vorgestellt.«
Lev machte große Augen.
»Ich glaube nicht, dass ich sie kenne«, erwiderte Gladys.
Greg nahm das Rasiermesser aus der Tasche, ließ es aber zugeklappt. Er hielt es in der Hand, als prüfe er das Gewicht. »Ich habe mich in Jacky verliebt.«
»Was gräbst du denn jetzt diese alten Geschichten aus?«, fragte Lev.
Gladys spürte die Spannung und machte ein besorgtes Gesicht.
»Vater hatte Angst, ich könnte sie heiraten.«
Lev lachte spöttisch auf. »Dieses billige Flittchen?«
»Billiges Flittchen?«, fragte Greg. »Ich dachte immer, sie wäre Schauspielerin.« Er blickte Gladys an.
Gladys errötete über die angedeutete Beleidigung.
»Vater hat ihr einen Besuch abgestattet. Er hatte jemanden dabei, einen Mann namens Joe Brekhunov. Kennst du Joe, Gladys?«
»Nein, ich glaube nicht.«
»Sei froh. Er hat ein Rasiermesser wie das hier.« Greg klappte das Messer auf und zeigte die funkelnde Klinge.
Gladys schnappte nach Luft.
»Ich weiß nicht, was für ein Spiel du hier treibst …«, sagte Lev.
»Nur einen Augenblick. Gladys möchte den Rest der Geschichte hören.« Greg lächelte sie an. Sie schien entsetzliche Angst zu haben. »Mein Vater sagte zu Jacky, Brekhunov würde ihr mit dem Rasiermesser das Gesicht zerschneiden, wenn sie sich jemals wieder mit mir trifft.«
Er machte einen winzigen Ruck mit der Klinge. Gladys schrie leise auf.
»Das lasse ich mir nicht gefallen!« Lev trat einen Schritt auf seinen Sohn zu. Greg hob die Hand mit dem Rasiermesser. Lev blieb stehen.
Greg wusste nicht, ob er seinen Vater wirklich angreifen könnte. Aber Lev wusste es genauso wenig.
»Jacky wohnt hier in Washington«, sagte Greg.
»Fickst du sie wieder?«, fragte sein Vater grob.
»Nein. Ich ficke niemanden, auch wenn ich dahingehende Pläne für Margaret Cowdry verfolge.«
»Die Kekserbin?«
»Warum fragst du? Soll Brekhunov sie auch einschüchtern?«
»Sei nicht albern.«
»Jacky arbeitet heute als Kellnerin. Die Filmrolle, die man ihr versprochen hatte, hat sie nie bekommen. Manchmal begegne ich ihr auf der Straße. Heute hat sie mich in einem Restaurant bedient. Jedes Mal, wenn sie mich sieht, glaubt sie, Brekhunov kommt sie abends besuchen.«
»Die Kleine hat sie nicht alle«, sagte Lev. »Bis vor fünf Minuten hatte ich sie völlig vergessen.«
»Darf ich ihr das sagen?«, fragte Greg. »Ich glaube, sie hat ein bisschen Seelenfrieden verdient.«
»Sag ihr, was du willst. Für mich existiert sie nicht.«
»Das ist schön«, entgegnete Greg. »Da wird sie sich freuen.«
»Und jetzt steck das verdammte Messer weg.«
»Nur noch eine Sache. Eine Warnung.«
Lev starrte ihn verärgert an. »Du willst mich warnen?«
»Wenn Jacky etwas zustößt …« Greg bewegte das Rasiermesser hin und her.
»Sag nicht, dass du dann Joe Brekhunov mit dem Messer bearbeiten willst.« Lev lachte verächtlich auf.
»Nein.«
Lev zeigte einen Anflug von Angst. »Mich?«
Greg schüttelte den Kopf.
Wütend fragte Lev: »Worauf willst du hinaus, verdammt?«
Greg blickte Gladys an.
Sie brauchte einen Augenblick, bis sie begriff. Sie zuckte in dem seidengepolsterten Sofa zurück, presste die Hände auf die Wangen und schrie lauter auf als beim ersten Mal.
»Du kleines Arschloch«, sagte Lev zu Greg.
Greg klappte das Rasiermesser zusammen und stand auf. »Genauso hättest du es auch gemacht, Vater.«
Er ging hinaus, knallte die Tür hinter sich zu und lehnte sich an die Wand. Er atmete schwer, als wäre er gerannt. Noch nie hatte ersolche Angst gehabt. Gleichzeitig empfand er Triumph. Er hatte Lev die Stirn geboten, hatte seine eigene Taktik gegen ihn eingesetzt und ihm sogar ein bisschen Angst eingejagt.
Greg ging zum Aufzug und schob das Rasiermesser in die Jacketttasche. Sein Atem beruhigte sich wieder. Er blickte den Hotelkorridor hinunter. Beinahe rechnete er damit, dass sein Vater ihm hinterhergerannt kam, aber die Tür der Suite blieb zu. Greg stieg in den Aufzug und fuhr hinunter in die Lobby.
In der Hotelbar bestellte er sich einen trockenen Martini.
Greg beschloss, Jacky am Sonntag zu besuchen.
Er wollte ihr die gute Neuigkeit überbringen. Ihre Adresse kannte er; es war die einzige
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