Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
möchte nicht den ganzen Nachmittag Tippfehler korrigieren müssen«, erklärte sie.
Greg erzählte ihr von General Groves. »Er ist ein richtiger Draufgänger. In mancher Hinsicht ist er der schlecht gekleidete Zwilling meines Vaters.«
»Niemand kann ihn ausstehen«, sagte Margaret.
»Jedenfalls eckt er bei jedem an.«
»Ist dein Vater auch so?«
»Manchmal, aber meistens setzt er seinen Charme ein, um zu bekommen, was er will.«
»Meiner auch. Vielleicht sind alle erfolgreichen Männer irgendwie gleich.«
Das Essen ging rasch vorüber. In Washingtoner Restaurants wurde viel schneller bedient als früher. Die Vereinigten Staaten waren im Krieg, und die Männer hatten wichtige Arbeit zu erledigen.
Eine Kellnerin brachte ihnen die Dessertkarte. Greg mustertedie junge Frau und erkannte zu seinem Erstaunen Jacky Jakes. »Hallo, Jacky!«, sagte er.
»Hi, Greg«, erwiderte sie. Hinter ihrer Vertraulichkeit verbarg sich Nervosität. »Wie ist es dir ergangen?«
Greg erinnerte sich, dass der Detektiv ihm damals gesagt hatte, Jacky arbeite im Frauenclub der Uni. Das war es, was ihm vorhin nicht hatte einfallen wollen. »Mir geht es großartig, danke«, sagte er. »Und dir?« Er hätte gern gefragt, ob sein Vater ihr noch immer regelmäßig Geld zahlte.
»Ich kann nicht klagen.«
Greg vermutete, dass irgendein Anwalt die Schecks ausstellte und sein Vater die Sache längst vergessen hatte. »Das hört man gern«, sagte er.
»Wie wäre es mit einem Nachtisch?«, fragte Jacky.
»Ja, danke.«
Margaret bestellte Obstsalat, Greg Eiscreme.
Als Jacky gegangen war, sagte Margaret: »Sie ist sehr hübsch«, und schaute Greg erwartungsvoll an.
»Ja, stimmt«, sagte er.
»Kein Ehering.«
Greg seufzte. Was Frauen so alles auffiel. »Du fragst dich anscheinend, wie es kommt, dass ich mit einer hübschen schwarzen Kellnerin befreundet bin, die nicht verheiratet ist«, sagte er. »Ich erzähle dir am besten gleich die Wahrheit. Ich hatte eine Affäre mit ihr, als ich fünfzehn war. Ich hoffe, du bist jetzt nicht schockiert.«
»Selbstverständlich bin ich schockiert«, entgegnete Margaret. »Ich bin moralisch empört.« Zwar war es ihr nicht ernst, aber sie scherzte auch nicht; die Wahrheit lag irgendwo dazwischen. Auf jeden Fall empfand sie es nicht als Skandal, da war Greg sicher. Vielleicht wollte sie ihm nicht den Eindruck vermitteln, Sex auf die leichte Schulter zu nehmen – zumindest nicht bei ihrer ersten Verabredung zum Mittagessen.
Jacky brachte den Nachtisch und fragte, ob sie Kaffee wollten. Aber dazu hatten sie keine Zeit mehr – die Army hielt nichts von langen Mittagspausen –, und Margaret bat um die Rechnung. »Gäste dürfen hier nicht bezahlen«, kam sie Gregs Protest zuvor.
Als Jacky wieder gegangen war, sagte Margaret: »Ich finde es nett, dass du sie immer noch gernhast.«
»Nun ja, ich habe schöne Erinnerungen. Ich hätte nichts dagegen, noch einmal fünfzehn zu sein.«
»Und dennoch hat sie Angst vor dir.«
»Das stimmt nicht.«
»Doch. Schreckliche Angst.«
»Das glaube ich nicht.«
»Mein Wort darauf. Männer sind blind, aber Frauen sehen so etwas.«
Greg musterte Jacky aufmerksam, als sie die Rechnung brachte, und stellte fest, dass Margaret recht hatte. Jacky fürchtete sich noch immer. Jedes Mal, wenn sie Greg sah, wurde sie an Joe Brekhunov und dessen Rasiermesser erinnert.
Der Gedanke erfüllte Greg mit Wut. Jacky hatte ein Recht, in Frieden zu leben.
Er beschloss, in dieser Sache etwas zu unternehmen.
Margaret ließ sich nichts vormachen. »Du weißt, wovor sie Angst hat, nicht wahr?«, sagte sie.
»Ja. Vor meinem Vater. Er befürchtet, ich könnte sie heiraten. Und er ist ein Mann, der immer seinen Kopf durchsetzt.«
»Meiner auch. Er ist lieb und nett, bis jemand ihm in die Quere kommt. Dann wird er unangenehm.«
Sie kehrten an die Arbeit zurück. Greg war den ganzen Nachmittag wütend auf seinen Vater. Dessen Drohung lag wie ein Fluch über Jackys Leben. Aber was konnte er dagegen tun? Was hätte Lev an seiner Stelle getan? Sein Vater konnte unbeirrbar sein, wenn er seinen Willen durchsetzen wollte, und es kümmerte ihn nicht, wer dabei verletzt wurde. General Groves war ähnlich.
Ich kann auch so sein, dachte Greg. Ich bin meines Vaters Sohn.
Ein Plan nahm Gestalt an.
Greg verbrachte den Nachmittag mit Lektüre und der Zusammenfassung eines Zwischenberichts aus dem Institut für Metallurgie an der Universität von Chicago. Zu den dort tätigen Wissenschaftlern
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