Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
Weg.
Ein vielleicht dreizehnjähriges Mädchen im Nachthemd kam ins Zimmer. »Maman sagt, Sie sind Amerikaner«, sprach sie Woody an.
»Das stimmt, Mademoiselle«, antwortete er.
»Kennen Sie Gladys Angelus?«
Woody lachte. »Ja, ich bin ihr mal begegnet.«
»Ist sie wirklich so schön?«
»Sogar noch schöner als in den Filmen.«
»Das hab ich immer gewusst!«
Der Müller bot ihm Wein an.
»Nein, danke«, sagte Woody. »Erst wenn wir gesiegt haben.«
Der Müller küsste ihn auf beide Wangen.
Woody ging wieder hinaus und führte seine Leute weiter nachÉglise-des-Sœurs. Von den achtzehn Mann aus seiner Maschine waren neun wieder zusammen, ihn selbst mitgezählt. Sie hatten zwei Verluste: Lonnie war tot, Tony verwundet. Sieben weitere Männer waren noch nicht aufgetaucht. Was mit dem Rest seines Zuges aus dem anderen Flugzeug war, konnte er nicht sagen. Er hatte den Befehl, nicht zu viel Zeit damit zu verschwenden, jeden einzelnen Mann zu suchen. Sobald er genügend Leute zusammenhatte, sollte er zum Ziel vorrücken.
Dann tauchte einer der fehlenden sieben Männer auf: Sneaky Pete schob sich aus einem Graben und schloss sich dem Zug mit einem beiläufigen »Hi, Gang« an, als wäre es das Normalste auf der Welt.
»Was haben Sie in dem Graben gemacht?«, fragte Woody.
»Ich dachte, da kommen Deutsche«, antwortete Pete. »Da hab ich mich versteckt.«
Woody entdeckte im Schlamm den blassen Glanz von Fallschirmseide. Pete hatte sich gleich nach der Landung in dem Graben versteckt; offensichtlich hatte er eine Panikattacke erlitten. Doch Woody tat so, als würde er ihm seine Geschichte abkaufen.
Wenn es jemanden gab, auf den er wirklich hoffte, war es Sergeant Defoe, der erfahrenste Mann im ganzen Zug. Eigentlich hatte Woody sich auf Defoes Rat verlassen wollen, aber der Sergeant war nirgends zu finden.
Sie näherten sich einer Straßenkreuzung, als sie Geräusche hörten. Woody erkannte das Tuckern eines Motors im Leerlauf, außerdem zwei oder drei Stimmen, die sich unterhielten. Er befahl seinen Leuten, auf alle viere zu gehen. Vorsichtig robbten sie näher.
Vor ihnen hatte ein Kradfahrer angehalten und unterhielt sich mit zwei Männern zu Fuß. Alle drei trugen Wehrmachtsuniform und sprachen Deutsch. An der Kreuzung stand ein Gebäude, ein kleines Wirtshaus vielleicht oder eine Bäckerei.
Woody beschloss zu warten. Vielleicht verschwanden die Deutschen wieder. Er wollte, dass seine Gruppe sich so lange wie möglich leise und unentdeckt bewegte.
Nach fünf Minuten verlor er die Geduld. Er drehte den Kopf. »Private Timothy!«, zischte er.
Jemand raunte: »Pukey Pat! Scotch ruft dich.«
Timothy kroch nach vorn. Er roch noch immer nach Erbrochenem, was ihm offenbar zu seinem Spitznamen verholfen hatte.
Woody hatte Timothy Baseball spielen sehen und wusste, dass der Mann weit und genau werfen konnte. »Werfen Sie eine Handgranate nach dem Motorrad«, befahl Woody.
Timothy nickte, löste eine Handgranate vom Gürtel, zog den Stift und schleuderte sie.
Ein Klappern war zu vernehmen. Einer der Männer fragte auf Deutsch: »Was war das?«
In diesem Augenblick detonierte die Handgranate.
Es gab zwei Explosionen. Die erste riss die drei Deutschen zu Boden. Die zweite stammte vom explodierenden Benzintank des Motorrads. Sie entfachte ein Flammenmeer, das die Männer verbrannte. Der Gestank nach verschmortem Fleisch breitete sich aus.
»Bleibt, wo ihr seid!«, rief Woody seinem Zug zu.
Er beobachtete das Gebäude. Stand es leer? In den nächsten fünf Minuten öffnete niemand ein Fenster oder eine Tür. Entweder war das Haus tatsächlich leer, oder die Bewohner versteckten sich unter den Betten.
Woody erhob sich und winkte den Zug weiter. Mit einem seltsamen Gefühl stieg er über die Leichen der drei Deutschen hinweg. Er hatte den Tod dieser Männer befohlen – Männer, die Mütter und Väter hatten, Frauen oder Freundinnen, vielleicht Söhne und Töchter. Jetzt war jeder von ihnen nur noch eine hässliche Masse aus Blut und verbranntem Fleisch. Es war Woodys erstes Gefecht gewesen, und er hatte den Gegner besiegt. Doch statt Triumph zu empfinden, war ihm übel.
Hinter der Kreuzung schlug er ein schnelleres Tempo an und untersagte seinen Männern, zu reden und zu rauchen. Um bei Kräften zu bleiben, aß er einen Riegel Schokolade aus seiner Ration. Sie schmeckte ein wenig wie Fensterkitt mit Zucker.
Nach ungefähr einer halben Stunde hörte er einen Wagen. Sofort befahl er seinen Leuten, sich in
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