Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
Schaft ab. Er schob ein 15-Schuss-Magazin ein, lud die Waffe durch und drehte den Sicherungshebel in Feuerstellung.
Aus der Hosentasche brachte er einen kleinen Gegenstand zum Vorschein, der an ein Kinderspielzeug erinnerte. Wenn man ihn zusammendrückte, gab er einen deutlichen Klicklaut von sich. Diese Blechratschen waren an sämtliche Fallschirmjäger ausgegeben worden, damit sie einander im Dunkeln erkennen konnten, ohne die Parole preiszugeben.
Als Woody so weit war, blickte er sich erneut um.
Versuchsweise klickte er zweimal mit der Blechratsche. Im nächsten Moment antwortete ein Klicken direkt vor ihm.
Woody platschte durchs Wasser. Der Gestank von Erbrochenem stieg ihm in die Nase. Mit gedämpfter Stimme fragte er: »Wer ist da?«
»Patrick Timothy.«
»Lieutenant Dewar. Folgen Sie mir.«
Timothy war als Zweiter gesprungen. Woody vermutete, dass ereine gute Chance hatte, auch die anderen zu finden, wenn sie diese Richtung beibehielten.
Fünfzig Yards weiter trafen sie auf Mack und Smoking Joe, die bereits zueinander aufgeschlossen hatten. Von dem matschigen Acker gelangten sie auf eine schmale Straße, wo sie auf ihre ersten Verluste stießen: Lonnie und Tony waren mit den Bazookas in den Beintaschen zu hart gelandet.
»Ich glaube, Lonnie ist tot«, sagte Tony. Woody untersuchte ihn. Tony hatte recht: Lonnie Callaghan atmete nicht mehr. Wie es schien, war er an Genickbruch gestorben. Auch Tony konnte sich nicht bewegen; offenbar hatte er sich ein Bein gebrochen. Woody injizierte ihm Morphin und zog ihn von der Straße auf den nächsten Acker, wo er auf die Sanitäter warten musste.
Woody befahl Mack und Smoking Joe, Lonnies Leiche zu verstecken, damit sie die Deutschen nicht zu Tony führte.
Angestrengt versuchte er, in der Landschaft ringsum irgendetwas auszumachen, das er auf seiner Karte wiederfand, doch es war unmöglich, zumal in der Dunkelheit. Wie aber sollte er seine Männer zum Einsatzziel führen, wenn er nicht wusste, wo er sich befand? Woody konnte sich nur einer Sache sicher sein: Sie waren nicht dort gelandet, wo sie hätten landen sollen.
Plötzlich hörte er ein merkwürdiges Geräusch. Im nächsten Moment sah er Licht.
Hastig bedeutete er seinen Männern, sich zu ducken.
Die Fallschirmjäger durften keine Taschenlampen benutzen, und die Franzosen unterlagen einer Ausgangssperre, also war es vermutlich ein deutscher Soldat, die sich ihnen näherte.
In dem schwachen Licht erkannte Woody ein Fahrrad.
Er stand auf und zielte mit dem Karabiner auf den Radfahrer. Er erwog, den Mann auf der Stelle niederzuschießen, brachte es dann aber nicht über sich. Stattdessen rief er: »Halt! Arrêtez! «
Das Fahrrad stoppte. »Hallo, Lieutenant«, sagte der Fahrer.
Woody erkannte die Stimme von Ace Webber. Ihm fiel ein Stein vom Herzen. Beinahe hätte er einen seiner eigenen Leute erschossen. Er senkte den Lauf seiner Waffe. »Woher haben Sie das Fahrrad?«
»Stand vor ’nem Bauernhaus«, antwortete Ace lakonisch.
Woody führte die Gruppe in die Richtung, aus der Ace gekommen war. Er vermutete, dass er dort auf weitere Männer aus seiner Maschine stieß. Dass er die andere Hälfte seines Zuges finden würde, die in einer zweiten C-47 geflogen war, hielt er nach Bonners ängstlichen Ausweichmanövern für unwahrscheinlich.
Ununterbrochen hielt er nach Geländemerkmalen Ausschau, in der Hoffnung, sie auf seiner Karte zu finden, aber es war zu dunkel. Er kam sich dumm und nutzlos vor. Verdammt, er war der Offizier, der Zugführer! Er hatte solche Schwierigkeiten zu meistern.
Auf der Straße stieß er auf weitere Männer aus seiner C-47. Dann gelangten sie an eine Windmühle. Woody beschloss, nicht länger herumzuirren. Er ging zum Mühlenhaus und hämmerte gegen die Tür.
Im oberen Stockwerk öffnete sich ein Fenster, und ein Mann fragte auf Französisch: »Wer ist da?«
»Die Amerikaner«, antwortete Woody. »Vive la France!«
»Was wollen Sie?«
»Sie befreien«, sagte Woody in seinem Schulbuchfranzösisch. »Aber zuerst brauche ich Hilfe mit meiner Karte.«
Der Müller lachte. »Ich komme nach unten.«
Kurz darauf saß Woody in der Küche und breitete unter einer hellen Lampe seine Seidenkarte auf dem Tisch aus. Der Müller zeigte ihm, wo sie waren. Es war nicht so schlimm gekommen, wie Woody befürchtet hatte. Trotz Captain Bonners Panikreaktion befanden sie sich nur vier Meilen nordöstlich von Église-des-Sœurs. Der Müller erklärte ihnen anhand der Karte den besten
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