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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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bequeme Position zu finden. Einige schlossen die Augen, doch Woody bezweifelte, dass einer von ihnen wirklich schlief.
    Sie flogen niedrig, kaum über tausend Fuß, und gelegentlich sah Woody das bronzene Glitzern von Flüssen und Seen in der Tiefe. Einmal erhaschte er einen Blick auf eine Menschenansammlung. Hunderte von Gesichtern starrten zu den Maschinen hoch, die über sie hinwegdröhnten. Woody wusste, dass mehr als tausend Flugzeuge gleichzeitig Südengland überflogen; es musste ein außergewöhnlicher Anblick sein. Ihm kam der Gedanke, dass diese Leute zuschauten, wie Geschichte geschrieben wurde, und dass er ein Teil davon war.
    Nach einer halben Stunde überflogen sie die englischen Seebäder; dann waren sie über dem Ärmelkanal. Ein paar Sekunden lang leuchtete der Mond durch eine Wolkenlücke, und Woody sah tief unten die Invasionsflotte. Es war ein unglaublicher Anblick: eine schwimmende Stadt mit Straßen aus Tausenden von Schiffen aller Größen, die in gezackten Reihen fuhren, so weit das Auge blickte. Ehe Woody seine Kameraden auf den fantastischen Anblick aufmerksam machen konnte, verdeckten die Wolken den Mond wieder, und das Bild war vergangen wie ein Traum.
    Die Flugzeuge zogen auf einer lang gestreckten Kurve nachrechts. Sie wollten die französische Küste westlich der Abwurfzone erreichen, dann dem Strand nach Osten folgen und anhand von Geländemarken ihre Position bestimmen. Auf diese Weise sollte sichergestellt werden, dass die Fallschirmjäger dort landeten, wo sie landen sollten.
    Jersey und Guernsey, die Kanalinseln, waren britisches Hoheitsgebiet, obwohl sie näher an Frankreich lagen. Die Deutschen hatten sie 1940 besetzt. Als die Armada die Inseln nun überflog, eröffnete die deutsche Flugabwehr das Feuer. In dieser geringen Höhe waren die Skytrains sehr verletzlich, und Woody begriff, dass er getötet werden konnte, noch ehe er das Schlachtfeld erreichte. Rasch verdrängte er den Gedanken, so hilflos und sinnlos zu sterben.
    Captain Bonner flog im Zickzack, um der Flak auszuweichen. Die Wirkung auf die luftkranken Männer war verheerend. Patrick Timothy hielt es als Erster nicht mehr aus und erbrach sich auf den Boden. Der Gestank sorgte dafür, dass es den anderen noch schlechter ging. Als Nächster übergab sich Sneaky Pete, dann mehrere Männer auf einmal. Alle hatten sich mit Steak und Eiscreme vollgestopft, und das kam ihnen jetzt wieder hoch. Der Gestank war grässlich, und der Boden der Maschine wurde gefährlich rutschig.
    Als sie die Kanalinseln hinter sich hatten, flog die C-47 wieder geradeaus. Wenige Minuten später kam die französische Küste in Sicht. Das Flugzeug kippte zur Seite und bog nach links. Der Kopilot stand von seinem Sitz auf und sagte Sergeant Defoe etwas ins Ohr. Der Sergeant wandte sich an den Zug und zeigte zweimal die fünf Finger einer Hand: zehn Minuten bis zum Absprung.
    Die Maschine verlangsamte ihre Marschgeschwindigkeit, 160 Meilen pro Stunde, auf das Tempo für den Fallschirmabsprung, das bei 100 Meilen pro Stunde lag.
    Dann flog die C-47 unvermittelt in Nebel ein, der so dicht war, dass man das blaue Licht an der Tragflächenspitze nicht mehr sehen konnte. Woodys Herz pochte heftig. Für Flugzeuge, die in so enger Formation flogen, war Nebel extrem gefährlich. Wie tragisch es wäre, nach all der Mühe nicht im Kampf, sondern bei einem Absturz zu sterben. Doch Captain Bonner konnte nichts weiter tun, als stur geradeaus auf konstanter Höhe zu fliegen undauf das Beste zu hoffen. Jede Kursabweichung konnte zur Kollision führen.
    Die C-47 verließ die Nebelbank so rasch, wie sie hineingeflogen war. Auf beiden Seiten waren die anderen Maschinen wie durch ein Wunder noch immer in Formation.
    Fast augenblicklich brach das Flakfeuer wieder los. Als tödliche Blüten explodierten die Granaten zwischen den dicht beieinanderfliegenden Maschinen. Die Piloten hatten Befehl, die Geschwindigkeit trotzdem beizubehalten und direkt in Richtung Absprungzone zu fliegen. Doch Bonner verstieß gegen die Anweisung und brach aus der Formation aus. Das Röhren der Motoren schwoll an, als er Vollgas gab. Wieder flog Bonner Zickzack und senkte die Nase der Maschine, um mehr Geschwindigkeit zu gewinnen. Woody blickte aus dem Fenster und sah, dass viele andere Piloten es genauso machten: Der Überlebensinstinkt war stärker als die Disziplin.
    Über der Tür flammte die rote Lampe auf: noch vier Minuten.
    Woody war überzeugt, dass die Crew die Lampe zu früh

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