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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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niemandem sprach. Wenn er ein Sandwich oder einen Kaffee wollte, zeigte er einfach darauf und bezahlte. Er blätterte durch Zeitungen und Zeitschriften, die andere Reisende zurückgelassen hatten, schaute sich die Bilder an und versuchte, die Bedeutung der Schlagzeilen zu entschlüsseln.
    Der letzte Abschnitt seiner Reise führte ihn durch eine einsame Landschaft von erhabener Schönheit. Ferne, schneebedeckte Gipfel glühten blutrot im Sonnenuntergang, was vermutlich der Grund dafür war, weshalb man dieses Gebirge »Sangre de Christo Range« nannte, die Berge vom Blute Christi.
    Wolodja ging auf die Toilette, wechselte seine Unterwäsche und zog das neue Hemd an, das er sich bei Saks gekauft hatte.
    Er rechnete damit, dass das FBI oder die US Army den Bahnhof von Albuquerque überwachten; deshalb wunderte es ihn nicht, alsihm ein junger Mann auffiel, dessen kariertes Jackett – ohnehin viel zu warm für das Klima in New Mexico im September – die Waffe kaum verbarg, die er in einem Schulterholster trug. Allerdings würde der Agent eher an Fernreisenden von der Ostküste interessiert sein, während Wolodja, der ja kein Gepäck hatte, mehr wie ein Pendler aussah. Dennoch hielt er die Augen auf und überzeugte sich, dass niemand ihm folgte, als er den Bahnhof verließ und in einen Greyhound-Bus nach Santa Fe stieg.
    Am späten Nachmittag erreichte er die Stadt. Am Busbahnhof bemerkte er zwei FBI -Männer, die ihn trotz seiner unauffälligen Kleidung aufmerksam musterten. Aber sie konnten natürlich nicht jeden verfolgen, der aus dem Bus stieg, und so ließen sie Wolodja unbehelligt ziehen.
    Er versuchte den Eindruck zu vermitteln, als habe er ein bestimmtes Ziel, als er die Straße hinunterschlenderte. Die niedrigen Häuser im Pueblo-Stil und die kleinen, gedrungenen Kirchen, die in der Sonne brieten, erinnerten ihn an Spanien. Markisen vor den Läden warfen angenehm kühle Schatten auf den Bürgersteig.
    Wolodja mied das La Fonda, das große Hotel am Platz neben der Kathedrale, und checkte stattdessen im St. Francis ein. Er zahlte bar und trug sich als »Robert Pender« ein, was sowohl ein amerikanischer als auch ein europäischer Name hätte sein können. »Mein Koffer wird nachgeschickt«, sagte er zu dem hübschen Mädchen am Empfang. »Sollte ich nicht da sein, wenn er kommt, könnten Sie dann dafür sorgen, dass er auf mein Zimmer gebracht wird?«
    »Selbstverständlich«, antwortete die junge Frau. »Kein Problem.«
    »Danke«, sagte Wolodja und fügte die Phrase hinzu, die er im Zug so oft gehört hatte. »Ich weiß das zu schätzen.«
    Die Frau schaute sich seinen Eintrag im Gästebuch an. »Sie sind aus New York, Mr. Pender?«
    Sie hörte sich skeptisch an, was aber sicher daran lag, dass Wolodja nicht wie ein New Yorker klang. »Eigentlich komme ich aus der Schweiz«, erwiderte er. Er hatte sich bewusst ein neutrales Land ausgesucht.
    »Ach so, daher Ihr Akzent. Ich habe noch nie einen Schweizer kennengelernt. Wie ist es da so?«
    Wolodja war zwar noch nie in der Schweiz gewesen, hatte aber Fotos gesehen. »Es schneit sehr viel«, antwortete er.
    »Nun denn«, sagte die junge Frau, »dann hoffe ich, dass Sie unser Wetter genießen.«
    »Bestimmt.«
    Fünf Minuten später verließ er das Hotel.
    Von seinen Kollegen in der sowjetischen Botschaft hatte er erfahren, dass einige der Wissenschaftler direkt auf dem Gelände von Los Alamos wohnten; aber dort gab es nur wenige Annehmlichkeiten, sodass sie sich lieber ein Haus oder eine Wohnung in der Stadt mieteten, falls sie die Möglichkeit hatten. Wilhelm Frunze konnte sich das problemlos leisten. Er war mit einer erfolgreichen Künstlerin verheiratet, die eine Cartoonserie mit dem Titel »Slack Alice« zeichnete. Außerdem konnte Mrs. Frunze, die tatsächlich Alice hieß, in ihrem Beruf überall arbeiten, und so hatten sie sich eine Wohnung in der historischen Altstadt gemietet.
    Das New Yorker Büro des NKWD hatte Wolodja mit dieser Information versorgt. Sorgfältig hatten sie alles über Frunze zusammengetragen, was es gab. Wolodja hatte nun seine Adresse, seine Telefonnummer und eine Beschreibung seines Autos, ein Plymouth-Vorkriegsmodell mit Weißwandreifen.
    Im Erdgeschoss des Hauses, in dem die Frunzes wohnten, befand sich eine Galerie. Die Wohnung darüber besaß ein großes Fenster zur Nordseite hin, ganz so, wie ein Künstler es mochte. Draußen parkte der Plymouth.
    Wolodja zog es vor, das Haus nicht zu betreten. Es konnte verwanzt sein.
    Die Frunzes

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