Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
anmerken. Es wäre ein tödlicher Fehler gewesen, diesen Leuten gegenüber Schwäche zu zeigen. »Warum sollten sie?«
»Weil sie Verräter sind«, antwortete Ilja. »Und deine Frau gehört dazu.«
»Hast du den Verstand verloren, du Stück Scheiße?«
»Ich bin hier, um deine Frau festzunehmen.«
»Was?« Wolodja konnte es nicht fassen. »Das ist Wahnsinn! Ihr habt doch gar keine Beweise.«
»Wenn du Beweise willst, dann fahr nach Hiroshima.«
Zum ersten Mal meldete Zoja sich zu Wort. »Lass gut sein, Wolodja. Ich werde sie begleiten müssen. Lass dich nicht auch noch verhaften.«
Wolodja richtete den Finger auf Ilja. »Du ahnst ja gar nicht, in was für Schwierigkeiten du steckst.«
»Ich führe nur Befehle aus.«
»Geh aus dem Weg. Meine Frau muss ins Schlafzimmer, um sich anzuziehen.«
»Dafür ist keine Zeit«, sagte Ilja. »Sie muss mitkommen, wie sie ist.«
»Das ist lächerlich!«
Ilja rümpfte die Nase. »Eine achtbare Sowjetbürgerin würde nie ohne Kleidung durch die Wohnung laufen.«
Wolodja fragte sich flüchtig, wie seine Schwester sich wohl fühlte, mit einem solchen Widerling verheiratet zu sein. »Wieso? Lehnt die Geheimpolizei Nacktheit aus moralischen Gründen ab?«
»Ihre Nacktheit ist der Beweis für ihre Verkommenheit. Wir werden sie so mitnehmen, wie sie ist.«
»Nein, das werdet ihr nicht, verdammt!«
»Geh zur Seite.«
»Ihr werdet zur Seite gehen. Meine Frau wird sich anziehen.« Wolodja baute sich vor den drei Agenten auf und streckte die Arme zu den Seiten aus, sodass Zoja hinter ihm vorbeigehen konnte.
Als sie sich bewegte, stieß Ilja seinen Schwager zur Seite und packte Zojas Arm.
Wolodja hämmerte ihm die Faust ans Kinn. Ilja schrie auf undtaumelte zurück. Die beiden Männer in den Ledermänteln traten vor. Wolodja schlug nach einem von ihnen, aber er duckte sich weg. Dann packten die Männer ihn an den Armen. Wolodja wehrte sich, doch die Kerle waren kräftig und schienen so etwas nicht zum ersten Mal zu machen. Sie stießen Wolodja gegen die Wand.
Während die Männer ihn festhielten, schlug Ilja ihm die Fäuste ins Gesicht – zweimal, dreimal, viermal –, dann in den Magen, bis Wolodja Blut spuckte. Zoja versuchte einzugreifen, doch Ilja verpasste ihr eine Ohrfeige. Mit einem Aufschrei taumelte sie zurück.
Wolodjas Bademantel klaffte auf. Ilja rammte ihm das Knie in den Unterleib und trat ihm die Beine unter dem Körper weg. Wolodja sank in sich zusammen, doch die beiden Männer in den Ledermänteln hielten ihn eisern fest. Wieder schlug Ilja auf ihn ein. Schließlich wandte er sich keuchend ab und rieb sich die Fingerknöchel. Seine beiden Helfer ließen Wolodja los.
Haltlos brach er zusammen. Er konnte sich kaum noch bewegen und bekam nur mühsam Luft, war aber noch bei Bewusstsein. Aus dem Augenwinkel sah er, wie die beiden Schläger Zoja packten und sie nackt aus der Wohnung zerrten. Ilja folgte ihnen.
Minuten verstrichen. Wolodjas stechende Schmerzen wurden zu einem dumpfen Druck, und seine Atmung normalisierte sich wieder.
Schließlich kehrte die Kraft in seine Glieder zurück, und er zog sich in die Höhe. Er schaffte es bis zum Telefon und wählte die Nummer seines Vaters. Hoffentlich war er noch nicht zur Arbeit. Als er Grigoris Stimme hörte, fiel ihm ein Stein vom Herzen. »Sie haben Zoja verhaftet«, sagte er.
»Diese verdammten Bastarde«, knurrte Grigori. »Wer war es?«
»Ilja.«
»Was?«
»Ruf ein paar Leute an«, bat Wolodja. »Vielleicht kannst du herausfinden, was hier los ist. Ich muss jetzt erst einmal das Blut abwaschen.«
»Was für Blut?«
Wolodja legte auf.
Es waren nur wenige Schritte bis ins Bad. Wolodja ließ seinen blutbefleckten Bademantel fallen und stieg unter die Dusche. Das warme Wasser brachte ihm Erleichterung. Behutsam tastete er sichab. Es schien nichts gebrochen zu sein. Ilja war bösartig, aber ein Schwächling.
Wolodja drehte das Wasser ab und schaute in den Spiegel. Sein Gesicht war voller Platzwunden und blauer Flecken.
Noch immer fiel ihm jede Bewegung schwer, sodass er sich gar nicht erst abtrocknete. Mit Mühe zog er seine Uniform an, denn sie verlieh ihm Selbstbewusstsein und Autorität, und beides konnte er jetzt brauchen.
Sein Vater traf ein, als Wolodja sich gerade die Stiefel zuband. »Was ist hier passiert?«
»Die Mistkerle wollten Streit«, antwortete Wolodja, »und ich war dumm genug, ihnen diesen Wunsch zu erfüllen.«
»Das hättest du besser wissen müssen, du Dummkopf!«, schimpfte
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