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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Lebensmitteln honorierte. Französische Frauen hatten unter deutscher Besatzung das Gleiche getan. Viele Offiziersfrauen in Deutschland hatten sich bitter darüber beklagt.
    Trotzdem war Carla entsetzt. Frieda liebte doch Heinrich! Sie wollten heiraten, sobald das Leben sich wieder halbwegs normalisiert hatte! Carla verstand die Welt nicht mehr.
    Schließlich kam sie an die Reihe, kaufte eine Ration Kartoffeln und eilte nach Hause.
    Sie fand Frieda oben im Salon. Erik hatte das Zimmer geputzt und Zeitungen vor die Fenster geklebt, weil Glas nicht zu bekommen war. Die Vorhänge waren längst als Bettlaken wiederverwendet worden, doch die meisten Stühle hatten bis jetzt überlebt. Wundersamerweise stand auch noch der große Flügel da. Ein russischer Offizier hatte ihn entdeckt und verkündet, er werde am nächsten Tag wiederkommen und ihn mit einem Kran aus dem Fenster hieven, doch er war nie zurückgekehrt.
    Frieda nahm Carla den kleinen Jungen ab und sang ihm etwas vor. Die beiden Frauen im Haus, die noch keine Kinder hatten, Rebecca und Frieda, konnten gar nicht genug von Walter bekommen. Und die beiden Mütter, Maud und Ada, liebten ihn, gingen aber wesentlich pragmatischer mit ihm um.
    Frieda öffnete den Deckel des Pianos und ermutigte Klein-Walter, auf die Tasten zu schlagen, während sie sang. Das Instrument war sehr lange nicht mehr gespielt worden. Seit dem Tod ihres letzten Schülers, Joachim Koch, hatte Maud es nicht mehr angerührt.
    Nach ein paar Minuten sagte Frieda: »Du bist so ernst, Carla. Was ist los?«
    »Ich weiß, wie du an das Essen kommst, das du uns bringst«, erwiderte sie. »Du bist keine Schwarzmarkthändlerin, nicht wahr?«
    »Natürlich! Was redest du denn da?«
    »Ich habe heute Morgen gesehen, wie du aus einem Jeep gestiegen bist.«
    »Ach, du meinst sicher Colonel Hicks. Er hat mich ein Stück mitgenommen.«
    »Er hat dich auf den Mund geküsst.«
    Frieda senkte den Blick. »Ich wusste gleich, dass ich früher hätte aussteigen sollen. Ich hätte zu Fuß gehen können. Nun, dann weißt du es jetzt.«
    »Und was ist mit Heinrich?«, fragte Carla.
    »Er wird nie davon erfahren. Von nun an werde ich vorsichtiger sein, ich schwör’s.«
    »Liebst du ihn denn noch?«
    »Natürlich! Wir werden heiraten.«
    »Aber warum …?«
    »Ich habe die Nase voll von diesen harten Zeiten! Ich will endlich wieder hübsche Kleider tragen und tanzen gehen.«
    »Das stimmt nicht«, erwiderte Carla. »Du kannst mich nicht belügen, Frieda. Dafür kennen wir uns viel zu gut. Sag mir die Wahrheit.«
    »Die Wahrheit?«
    »Ja.«
    »Bist du sicher?«
    »Ich bin sicher.«
    »Ich habe es für Walter getan.«
    Carla erschrak. Der Gedanke war ihr nie gekommen, doch es ergab Sinn. Frieda opferte sich für sie und ihr Baby.
    Carla fühlte sich furchtbar. Also war letztendlich sie dafür verantwortlich, dass Frieda sich prostituierte. »Das hättest du nicht tun sollen«, sagte sie bedrückt. »Irgendwie wären wir auch so zurechtgekommen.«
    Den kleinen Walter noch immer im Arm, sprang Frieda auf. »Nein, wärt ihr nicht!«, platzte sie heraus.
    Walter bekam Angst und fing an zu schreien. Carla nahm ihn, wiegte ihn in den Armen und tätschelte ihm den Rücken.
    »Ihr wärt nicht zurechtgekommen«, wiederholte Frieda, diesmal ruhiger.
    »Woher willst du das wissen?«
    »Den ganzen Winter über sind in Zeitungspapier gewickelte, nackte Babys ins Krankenhaus gebracht worden. Alle waren verhungert oder erfroren. Ich konnte es nicht ertragen, sie anzusehen.«
    »O Gott.« Carla drückte Walter an sich.
    »Es ist grauenhaft. Wenn sie erfrieren, werden sie ganz blau.«
    »Hör auf damit!«
    »Ich muss es dir erzählen, sonst verstehst du nicht, warum ich das getan habe. Walter hätte eines dieser Babys sein können.«
    »Ich weiß«, flüsterte Carla. »Ich weiß.«
    »Percy Hicks ist ein guter Mann. Er hat eine altmodische Frau zu Hause in Boston. Wahrscheinlich bin ich für ihn die Verführung in Person. Er ist höflich und nett, wenn er mit mir ins Bett geht, und er benutzt stets ein Kondom.«
    »Du solltest damit aufhören«, sagte Carla.
    »Das willst du doch gar nicht wirklich.«
    Carla seufzte. »Du hast recht«, gab sie zu. »Das ist das Schlimmste daran. Ich fühle mich schuldig. Ich bin schuldig.«
    »Nein, bist du nicht. Ich allein trage die Verantwortung. In diesen Zeiten müssen viele deutsche Frauen harte Entscheidungen treffen. Wir bezahlen dafür, dass die Männer es sich vor dreizehn Jahren so leicht

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