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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Auffahrt hinaufrumpelte.
    An der Labour Party hatte Lloyd nur eines auszusetzen: dass viele Sozialisten einem puritanischen Autoritätsdenken nachhingen. Bei seinem Großvater war es so, und auch Billy besaß diese Neigung. Bei sinnlichen Vergnügungen wurde ihnen unbehaglich; Entbehrung und Selbstversagung lagen ihnen mehr. Sie taten die bezaubernde Schönheit dieser Gärten als etwas Unerhebliches ab. Und damit irrten sie sich.
    Ethel und Lloyd waren anders. Sie neigten nicht zur Miesmacherei – hoffte Lloyd zumindest.
    Fitz gab auf dem rosa Kiesweg ein Interview, während der Baggerfahrer seine Maschine in Position manövrierte. »Der Kohleminister hat erklärt, dass die Gärten einem effizienten Wiederherstellungsprogramm unterzogen werden sollen, wie er es nennt, wenn die Grube einmal stillgelegt wird«, sagte er. »Glauben Sie mir, dieses Versprechen ist wertlos. Mein Großvater, mein Vater und ich haben gemeinsam mehr als ein Jahrhundert gebraucht, bis die Gärten ihre jetzige Schönheit und Harmonie erlangt haben. Sie wiederherzustellen wird weitere hundert Jahre erfordern.«
    Der Ausleger des Baggers senkte sich, bis er in einem Fünfundvierzig-Grad-Winkel über den Büschen und Blumenbeeten des Westgartens stand. Die Schaufel schwebte über dem Krocketrasen. Lange Augenblicke des Wartens folgten. Die Menge wurde still.
    Dann rief Billy: »Nun fangt schon an, um Himmels willen!«
    Ein Ingenieur mit Melone blies in eine Pfeife.
    Mit gewaltigem Getöse krachte die Schaufel zu Boden. Ihre Stahlzähne fraßen sich in den flachen grünen Rasen. Das Schlepptau spannte sich. Das laute Knarren belasteter Mechanik war zu hören; dann schob die Schaufel sich langsam nach hinten. Während sie über den Boden gezogen wurde, entwurzelte sie ein Beet mit großen gelben Sonnenblumen, den Rosengarten, ein Gebüsch aus Zimterlen und Strauchkastanien und eine kleine Magnolie. Am Ende ihres Weges war die Schaufel voller Erde, Blätter und Pflanzen. Der Fahrer hob sie zwanzig Fuß hoch an. Lose Erde und Blüten rieselten zu Boden.
    Der Ausleger schwang zur Seite. Die Maschine war größer als das Herrenhaus. Lloyd befürchtete schon, der Ausleger könne die Fenster im Obergeschoss einschlagen, doch der Baggerfahrer verstand sein Handwerk und hielt rechtzeitig an. Das Schlepptau erschlaffte, die Schaufel kippte, und sechs Tonnen Garten fielen ein paar Fuß vom Hauseingang entfernt auf den Boden.
    Die Schaufel kehrte in ihre ursprüngliche Position zurück, und der Vorgang wurde wiederholt.
    Lloyd blickte zu seinem leiblichen Vater hinüber.
    Earl Fitzherbert weinte.

K A P I T E L  2 3
    1947
    Zu Beginn des Jahres 1947 schien die Möglichkeit zu bestehen, dass ganz Europa kommunistisch wurde.
    Wolodja Peschkow war nicht sicher, ob er darauf hoffen sollte oder nicht.
    Die Rote Armee beherrschte Osteuropa, und im Westen gewannen die Kommunisten mehr Wahlen als je zuvor. Durch ihren Widerstand gegen die Nazis hatten sie sich großen Respekt erworben. Bei den ersten französischen Nachkriegswahlen hatten fünf Millionen Menschen für die Kommunisten gestimmt und sie damit zur stärksten Partei gemacht. In Italien hatte eine Allianz aus Kommunisten und Sozialisten vierzig Prozent der Stimmen gewonnen, und in der Tschechoslowakei hatten die Kommunisten allein achtunddreißig Prozent erreicht und führten nun die demokratisch gewählte Regierung an.
    In Österreich und Deutschland, wo die Wähler dem Terror der Roten Armee ausgesetzt gewesen waren, sah es jedoch anders aus. In Berlin hatten die Sozialdemokraten dreiundsechzig von einhundertdreißig Sitzen errungen, die Kommunisten nur sechsundzwanzig. Allerdings lag Deutschland nach wie vor in Trümmern, und die Bevölkerung hungerte; deshalb hoffte man im Kreml, dass die Menschen sich in ihrer Verzweiflung doch noch dem Kommunismus zuwenden würden. Schließlich war es damals während der Weltwirtschaftskrise bei den Nazis genauso gewesen.
    Großbritannien wiederum war eine einzige große Enttäuschung. Dort war bei den Nachkriegswahlen nur ein Kommunist ins Parlament gekommen, und die Labour-Regierung lieferte alles, was der Kommunismus versprach: Wohlfahrt, freie Gesundheitsfürsorge, Bildung für alle, sogar die Fünftagewoche für Bergleute.
    Doch im Rest Europas gelang es dem Kapitalismus nicht, die Menschen aus der Nachkriegskrise zu erlösen.
    Sogar das Wetter ist auf Stalins Seite, ging es Wolodja durch den Kopf, als er beobachtete, wie der Schnee sich auf den Kuppeln

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