Winter - Erbe der Finsternis (German Edition)
sie mit Nachdruck in den Player.
The Big Bang Theory
, erste Staffel. Sie hatten jede Folge schon mehrmals gesehen, aber das machte nichts. Die Abenteuer der vier unbeholfenen Nerds aus Kalifornien waren genau das, was sie jetzt brauchten, um nicht an die eigenen Probleme zu denken.
Sie lagen auf dem Bett, hielten sich an der Hand und bemühten sich, so zu tun, als wäre alles in Ordnung.
W ährend die nordwalisische Landschaft – eine verregnete ländliche Gegend in allen möglichen Grüntönen – rasch vor dem Autofenster vorüberzog, nagte Winter nervös an ihrer Lippe und trommelte mit den Fingern auf die Armstütze des Autositzes.
Sie konnte ihren letzten Besuch bei ihrer Großmutter einfach nicht vergessen: Marion Starr, die sie immer als stark und selbstsicher erlebt hatte, lag seit Tagen bewusstlos in einem Krankenhausbett.
Die Ärzte waren noch nicht in der Lage gewesen, die Ursache ihres Zustands zu ermitteln. Sie unterzogen sie sämtlichen Routineuntersuchungen und legten einen besonnenen Optimismus an den Tag.
»Du wirst sehen, es wird dir gefallen bei den Chiplins«, sagte Susan Bray, nachdem sie Winter zum x-ten Mal seufzen gehört hatte. Sie hatten auf dieser Reise nicht viel miteinander gesprochen.
Susan hatte sich auf das Fahren konzentriert, und Winter hatte ihren Gedanken nachgehangen und auf vereinzelte Fragen im Telegrammstil geantwortet.
Die Anwältin war nicht besonders geübt darin, bedrückte Sechzehnjährige zu trösten, aber vielleicht gab es auch einfach nichts Tröstendes zu sagen.
Als endlich ein Straßenschild anzeigte, dass es nur noch wenige Meilen bis zum nordwalisischen Cae Mefus waren, hatte Susan Bray zumindest den zweiten Grund für Winters Sorgen intuitiv erfasst.
»Die Chiplins sind eine tolle Familie«, versuchte sie es erneut.
Winter antwortete mit einem leichten Kopfnicken und wandte sich unwillig vom Fenster ab.
Als ihr in den Sinn kam, dass die pingelige und methodische Susan möglicherweise nicht begeistert war über die von ihrem Atem beschlagene und mit ihren Fingerabdrücken versehene Autoscheibe, war es bereits zu spät.
»Es sind ja bloß ein paar Wochen«, erwiderte sie knapp und setzte sich gerade hin.
Da es nun einmal unvermeidlich war, überwog langsam eine gewisse Neugier.
»Das Ehepaar Chiplin besteht aus Griffith und Morwenna. Ihr ältester Sohn Gareth ist ein Jahr älter als du und die Tochter Eleri ein Jahr jünger. Ihr müsstet euch eigentlich gut verstehen … Der Jüngste heißt Dai und ist neun. Ich hoffe, du bist mir nicht böse, dass ich Morwenna gesagt habe, du hättest bestimmt nichts dagegen, hin und wieder auf ihn aufzupassen.«
Das Mädchen verzog verärgert die Lippen: Susan hatte ihren Job so gut gemacht, dass sie sogar schon eine Beschäftigung für sie gefunden hatte!
Es ist nur ein weiterer Umzug, mehr nicht
, versuchte sie sich vergeblich einzureden,
und sobald es Oma besser geht, kehrst du nach Hause zurück!
»Wie du siehst, ist Cae Mefus ein kleiner Ort, und im Vergleich zu London wird er dir wie ein Nest vorkommen, fürchte ich … Aber es soll eine gut bestückte Bibliothek geben. Und das Haus der Chiplins liegt ganz gut. Du wirst ein Zimmer für dich allein haben, und es gibt eine Internet-Flatrate.«
Die Chiplins schienen tatsächlich eine Bilderbuchfamilie zu sein. Winter lag schon die provozierende Frage auf der Zunge, wie denn ihr Hund hieß, aber sie konnte sich gerade noch zurückhalten. Die Anwältin war nicht schuld an der Situation und versuchte ihr bloß zu helfen, so gut sie konnte.
»Gut«, sagte sie deshalb nur und gab sich Mühe, gelassen zu wirken.
In Wahrheit schlug ihr Herz wie wild und kalter Schweiß lief ihr über den Körper, während das Auto nun bereits durch die Straßen der Kleinstadt fuhr.
Komm schon
, wiederholte sie innerlich,
es wird bald vorbei sein
…
Sie griff automatisch nach ihrem Anhänger, drückte ihn leicht und tat so, als wäre wirklich alles in Ordnung.
»Lass Gareth die Tasche tragen, Winter«, sagte Morwenna Chiplin freundlich, aber bestimmt nach dem ersten zögerlichen Händedruck. »Als Erstes zeigen wir dir jetzt dein Zimmer.«
Sie war nicht viel älter als vierzig und gehörte zu dem Frauentyp, den man spontan mit dem Bild der Hausfrau und Mutter assoziierte: Sie hatte ein sympathisches Gesicht, ein liebesvolles Lächeln und strahlte eine natürliche Autorität aus, die erkennen ließ, dass sie es gewohnt war, sich Respekt zu verschaffen.
Morwenna hatte
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