Winter - Erbe der Finsternis (German Edition)
harte Gesichtszüge und lächelte mit geschlossenen Lippen, auf eine mehr geheimnisvolle als höfliche Art.
Er war zweifellos faszinierend, aber er war es nicht wert, dass man sich schlecht behandeln ließ, nur um einen Blick von ihm zu bekommen.
»Sieh mal einer an!«, antwortete er nur. Er wirkte beinahe erstaunt …
Seine Banknachbarin dagegen war sichtlich amüsiert.
Sie warf Winter einen raschen Blick zu, hatte aber offenbar nicht im Sinn, mit ihr zu sprechen, und so schaute Winter wieder nach vorn.
»Diesmal hast du wohl Pech gehabt, Cameron«, bemerkte das Mädchen spöttisch. »Lass die Carter in Ruhe.«
»Aber ich brauche die Aufzeichnungen, Nerys!«
»Dann lern, dir Notizen zu machen …«
Draußen vor der Schule war die Septemberluft außergewöhnlich mild und angenehm. Winter musste zugeben, dass so ein Duft in London undenkbar gewesen wäre.
Da es vielleicht der letzte schöne Tag des Jahres war, hatten Eleri und eine gewisse Dylis Allbright, die offenbar das Privileg hatte, eine Freundin von Gareth zu sein, die Idee gehabt, alle zusammen auf der Wiese ein Sandwich zu essen.
Es war schön. Sie saßen in der Sonne im Gras, und wenn Winter der Schule den Rücken zukehrte, kam es ihr fast so vor, als wäre sie mit Madison und ihren alten Freunden im Hyde Park.
»Nun hast du also die Nox kennengelernt«, platzte Dylis nach einer Weile heraus.
»Lorna hat mir erzählt, was du zu Farland gesagt hast!«, schaltete sich Trevor Biven begeistert ein. Er war mittelgroß, sein lebhafter Gesichtsausdruck machte ihn sympathisch, und er trug ein grellgrünes Bart-Simpson-T-Shirt, das schwer zu übersehen war.
»Gut gemacht!«
Der Vorfall musste interessanter sein, als sie gedacht hatte, denn alle drehten sich zu ihr um.
»Leute«, sagte sie leise, »seid ihr euch bewusst, dass ich kaum verstehe, wovon ihr eigentlich sprecht?«
»Offensichtlich nicht«, brummte Gareth.
Einen Augenblick zuvor hatte er noch in der Sonne gedöst und sich nicht um die anderen gekümmert, doch jetzt lag er seitlich aufgestützt da und sah nicht sehr glücklich aus.
Trevor Biven dagegen war selig.
»Ich hätte die Szene gern gesehen«, seufzte er und zitierte fast wortwörtlich: »›Du bist der, mit dem Lorna nicht sprechen will‹ … Das war einsame Spitze, Schwester!«
Doch ihre Frage hatte immer noch niemand beantwortet.
»Wer sind die Nox?«, fragte Winter in die Runde.
Trevor und Dylis sahen sie an, als wäre sie eine Außerirdische.
»Wie? Das weißt du nicht? Sie sind die Auserwählten, die Besten, die Vollkommenen …«
Einer plötzlichen Eingebung folgend, wandte Trevor sich an Eleri und Gareth und zeigte mit dem Finger auf sie.
»Chiplins, Menschenskinder, ihr habt unsere neue Freundin nicht über die coolsten Typen an der Schule aufgeklärt? Das ist unverzeihlich!«
»Hol ich sofort nach«, brummte Gareth mit finsterer Miene. »Alles, was du über die Nox wissen musst, ist, dass man sich besser nicht mit ihnen abgibt.«
Das hörte sie nun schon zum dritten Mal. Was Cameron Farland betraf, konnte sie dem Ratschlag uneingeschränkt zustimmen, aber es war keine zufriedenstellende Antwort.
Winter suchte Eleris Blick in der Hoffnung auf eine Erklärung.
»Sie sind ein Klub«, erhielt sie jedoch bloß zur Antwort. »Eine Art Bruderschaft.«
»Richtig. Und diese beiden Chiplins hier sind die Einzigen, die nie scharf darauf waren, aufgenommen zu werden«, fiel Trevor wieder ein, der vielleicht nicht gerade durch Taktgefühl glänzte, aber zumindest nicht schüchtern war. »Der Nox-Klub ist eine Institution an unserer Schule. Im Ernst. Nur die absoluten Überflieger gehören dazu …«
»Der IQ von Nerys Maddox liegt weit über dem Durchschnitt, und die Uprices haben bereits Sommerkurse in Cambridge besucht.« Dylis Allbrights Stimme verriet ihre Bewunderung.
Trevors Kommentar dagegen kam spontan und klang ziemlich pragmatisch.
»Man sagt, Farlands Vater sei einer der reichsten Männer Großbritanniens. Einige Mitglieder des Nox-Klubs sind zweifellos brillant, aber im großen Ganzen sind sie nichts als hochnäsige Bonzensöhnchen.«
Eleri schüttelte den Kopf.
»Du übertreibst, Trevor!«
»Wieso? Sie sind reich, schön, intelligent und kriegen immer, was sie wollen! Ist das nicht grauenvoll?«
Der letzte Punkt erschien Winter alles andere als grauenvoll.
W inter hatte ihre erste Woche an der St Dewi’s überlebt.
Es war nicht leicht gewesen: All die neuen Schüler, mit denen Eleri sie in der
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