Winter - Erbe der Finsternis (German Edition)
weinte immer noch. Sie stand unter Schock und Winter konnte nichts anderes tun, als sie fest an sich zu drücken und ihr das Gesicht zu streicheln.
Sie sprach ununterbrochen zu ihr und versuchte, ihr eine Reaktion zu entlocken.
»Wie fühlst du dich, Lorna?«
Das Mädchen schniefte, wischte sich mit der Hand über das Gesicht und stöhnte, als sie bemerkte, dass es von ihrer Wimperntusche verschmiert war.
»O Gott, ich muss schrecklich aussehen!«, war ihre unpassende Antwort. Sie wühlte in ihrer Handtasche und zog ein Papiertaschentuch heraus.
»Tut dir die Wunde sehr weh?«
Lorna berührte sachte die gerötete Haut um die Wunde und schüttelte den Kopf.
»Nein, jetzt nicht mehr. Winter, sie hat mich gebissen! Die ist total ausgeflippt!«
Winter glaubte, nicht richtig verstanden zu haben.
»Ich meine, sie wollte nicht mein Handy und auch nicht mein Geld …«, sagte Lorna, und während sie langsam zu sich kam, wurde sie immer wütender. »Sie hat mich zu Boden geworfen und gebissen!«
Winter wurde von einem Schauder gepackt. Sie fühlte sich erneut einem Nervenzusammenbruch nahe.
In dem Moment kam Cameron Farland hinzu.
»Lorna, es ist alles vorbei«, sagte er in beruhigendem Ton. Vielleicht hatte ja sogar er im Grunde ein gutes Herz.
Der Blick, den er Winter zuwarf, war allerdings alles andere als freundschaftlich.
»Ich kümmere mich um sie, Starr!«, knurrte er.
Es klang wie eine Verabschiedung, und schon lag Lorna in seinen Armen und gab Winter zu verstehen, dass sie nicht mehr gebraucht wurde.
Cameron hob sanft das tränenüberströmte Gesicht des Mädchens an und küsste sie auf die Augen. Es war eine so intime Geste, dass Winter sich rasch entfernte.
»Wer war das? Was wollte sie von mir?«
»Sie hat dir die Brieftasche gestohlen, Lorna … Evans hat sie in ihrer Tasche gefunden.«
Dann trug der Wind ihre Worte fort.
Winter setzte sich auf die Eingangstreppe des Manaros und starrte mit feuchten Augen auf einen unbestimmten Punkt am Boden.
Außer ihr war niemand mehr da, und kurz darauf trat Evans zu ihr.
Er kannte sie nicht und ahnte deshalb, dass sie das neu aus London zugezogene Mädchen sein musste.
»Wie heißt du?«, fragte er sie freundlich und kauerte vor ihr nieder.
Er betrachtete sie, während sie sich mit den Händen durch die Haare fuhr und die Strähnen mit unsicheren Gesten hinter die Ohren strich, bevor sie antwortete.
»Winter. Winter Starr.«
»Kennst du Lorna oder ihre Angreiferin?«
Es war surreal, sie kam sich vor wie in einem Kriminalfilm. Das blaue Licht des Polizeiautos kreiste unangenehm über die Mauern, und der Mann hatte das klassische Polizistengesicht.
»Nur Lorna«, antwortete sie und schüttelte den Kopf.
»Hast du die ganze Szene beobachtet?«
Winter schüttelte den Kopf.
»Nein, als Gareth und ich herausgekommen sind, hatte Farland bereits eingegriffen.«
Der Polizeichef erhob sich.
»Okay. Geh jetzt schlafen, Winter Starr, die Chiplins sind gekommen, um euch nach Hause zu bringen.«
Sie sah ihn erstaunt an.
»Muss ich keine Zeugenaussage machen?«, fragte sie irritiert.
»Das hast du gerade getan.«
Evans hielt ihr eine Hand hin und half ihr auf die Beine.
D ie Nachricht verbreitete sich in Windeseile. Am nächsten Tag pfiffen schon die Spatzen vom Schuldach, was vorgefallen war.
Die offizielle Version lautete, dass jemand versucht hatte, Lorna Carter zu berauben, die in letzter Minute von Cameron und Gareth gerettet wurde.
Bedauerlicherweise war es aber nicht das, was Winter gesehen hatte, und auch nicht das, was Lorna selbst ihr vor weniger als vierundzwanzig Stunden erzählt hatte.
Sie hatten den ganzen Tag nicht miteinander gesprochen, aber als Winter sie zum Klubhaus der Nox’ begleitete, konnte sie sich nicht mehr zurückhalten.
»Tut dein Bein noch weh?«, fragte sie vorsichtig.
Lorna schwieg einen Augenblick und Winter dachte schon, dass sie wegen des Regens, der auf den Schirm prasselte, ihre Frage nicht gehört hatte.
»Nein. Seltsam … Müsste es doch eigentlich, nicht?«
Noch wenige Schritte und sie würden am Ziel sein. Irgendetwas sagte ihr, dass Farland dort auf sie wartete.
Ihr blieb nur wenig Zeit.
»Keine Ahnung, ich bin noch nie gebissen worden …«, sagte sie mit einem Lachen.
Lorna laut auflachen zu hören war befremdlich.
»Gebissen?«, fragte das Mädchen und schaute sie amüsiert an. »Wer sagt denn so etwas?«
Du!
, dachte Winter und war sicher, dass sie sich nicht geirrt hatte.
»Ich dachte,
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