Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winter - Erbe der Finsternis (German Edition)

Winter - Erbe der Finsternis (German Edition)

Titel: Winter - Erbe der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asia Greenhorn
Vom Netzwerk:
ihre Fingerspitzen, und der Junge nutzte den Moment, um ihr Gesicht zu betrachten. Manchmal fragte er sich, ob sie es wohl irgendwann kapieren würde.
    Nein, unmöglich … Sie weiß nichts!,
sagte er sich.
    Doch die Spannung in der Luft, die ganze Unruhe, die ausgebrochen war …
    »Cae Mefus ist ein ruhiger Ort!«, betonte er, als wollte er sich selbst davon überzeugen.
    Winter seufzte.
    »Das wollen alle glauben«, sagte sie. »Aber können wir das auch? Du, ich, Lorna …«
    »Ich weiß, es ist schwierig, nach all dem, was du erlebt hast. Aber du hattest recht, es hätte überall passieren können.«
    Er sah, wie sie nickte, doch ihr Gesichtsausdruck blieb alles andere als überzeugt.
    »Mir will das Gefühl nicht aus dem Kopf gehen, dass sich dahinter etwas Merkwürdiges verbirgt«, beichtete sie nach einem Augenblick, »aber vielleicht werde ich einfach langsam verrückt.«
    Sie richtete einen silbernen Blick voll bitterer Ironie auf ihn und Gareth wünschte sich, er könnte alle Angst von ihr nehmen.
    »Ich glaube, das ist völlig normal, Win.«
    Wie er die Distanz aufgehoben hatte, die sie voneinander trennte, hätte er nicht zu sagen vermocht, aber plötzlich war er neben ihr. Mit ihr zusammen zu sein wurde immer normaler, quasi ein automatischer Reflex. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter, und die Art, wie sie ihr Gesicht dagegendrückte, hatte für jeden von ihnen eine andere Bedeutung.
    »Du trägst zu viele Probleme mit dir herum, bist gestresst …«
    Sie senkte die Schulter und unterbrach den Hautkontakt. Grau umwölkte Augen durchbohrten ihn.
    »Lorna hat gesagt, dass sie gebissen wurde.«
    Gareth stockte der Atem.
    »Doch gestern schien sie das wieder vergessen zu haben.« Das war ein Winkelzug, aber sie hatte den Eindruck, der Wahrheit ganz nahe zu sein. Sie durfte sie nicht entkommen lassen. »Du hast doch auch gesehen, dass sie geblutet hat, nicht wahr?«
    Dem Jungen wurde immer unbehaglicher.
    »Ein Schnitt, Win«, antwortete er angespannt.
    »Und wenn ich dir sage, dass heute keine Spur einer Wunde mehr sichtbar war?«, beharrte sie. »Du hast eben zugegeben, dass du auch eine blutende Wunde gesehen hast! Was ist hier los, Gareth?«
    Er räusperte sich und wandte den Blick ab.
    »Es war vielleicht nur ein Kratzer …«, bemerkte er dann sachlich. »Es gibt oberflächliche Wunden, die sehr stark bluten. Du musst versuchen, dich zu beruhigen, sonst geht die Fantasie mit dir durch!«
    Winter war versucht, ihn zum Teufel zu jagen.
    Er log, sie wusste nicht, wieso oder inwieweit, aber Gareth Chiplin sagte ihr nicht die Wahrheit.
    Aber warum sollte er lügen? Was für einen Sinn hatte es, sie glauben zu lassen, Cae Mefus sei eine Oase des Friedens?
    »Ich meine das nicht persönlich, Winter«, fügte er hinzu. Er ertrug den verstörten Ausdruck in ihren Augen nicht. »Es ist normal, dass dir alles so befremdlich vorkommt, das wäre für jeden an deiner Stelle so. Aber du musst vernünftig bleiben …«
    Winter reichte es.
    »Nein!«, brauste sie auf. »Fang du nicht auch noch an, mir zu sagen, was ich denken soll! Ich weiß, was ich gesehen habe, und es war kein lächerlicher Kratzer! Selbst angenommen, dass Lorna anfänglich etwas verwirrt war, bleibt, verdammt noch mal, die Tatsache, dass ich sie verarztet habe!«
    Er seufzte.
    Er
musste
lügen. Wenn es ihm bei ihr so schwerfiel, musste er sich eben noch mehr anstrengen. Es war völlig inakzeptabel, wie er in ihrer Gegenwart die Kontrolle verlor, es gab keine Entschuldigung dafür, egal, wie sehr sie ihm gefiel und wie unerträglich ihm inzwischen der Gedanke geworden war, sie zu verlieren.
    »Und Farland?«, insistierte sie. »Ich meine, Lorna ist intelligent, lebhaft, aber sobald er auftaucht, bekommt sie nichts mehr auf die Reihe. Sie lässt sich behandeln wie den letzten Dreck, wenn er ihr sagen würde, der Mond ist eine Neonlampe, würde sie es glauben! Warum will er nicht, dass wir über den Überfall sprechen?«
    Aus vielen guten Gründen
, war der Junge versucht zu antworten und empfand zum ersten Mal in seinem Leben ein Gefühl echter Solidarität mit den Nox.
    Cameron Farland war zwar einer der Schlimmsten, und selbst Gareth konnte die Freiheiten, die er sich mit Lorna herausnahm, kaum ertragen. Doch er respektierte die Regeln, das war nicht zu leugnen.
    Die Nox vergessen, das war es, was Winter tun musste.
    »Ich bin kein Arzt«, sagte er leicht schroff, »und ich habe keine Ahnung, wieso Lornas Wunde so rasch verheilt ist.

Weitere Kostenlose Bücher