Winter - Erbe der Finsternis (German Edition)
zusammen. Er wich zurück ans andere Ende des Raums, zu einem Steinkamin, und sein bleiches Gesicht schien im Halbschatten zu schweben.
Winter unterdrückte einen Schrei.
Ruhe bewahren, es ist nur Farland …
Sie machte einen Schritt zurück und stieß gegen den Türpfosten.
Der lodernde Blick des Jungen brannte ihr auf der Haut.
»Lorna«, war alles, was sie herausbrachte, um sich zu rechtfertigen, »ich suche Lorna …«
»Sie ist nicht hier«, erwiderte er, die Stimme rau vor brennendem Durst.
Geh fort!,
befahl ihr der Instinkt.
Die Kehle des Jungen war krampfhaft zugeschnürt. Winter Starr hätte keinen schlechteren Moment wählen können, um hereinzuplatzen. Er versuchte so zu tun, als wäre sie nicht da. Er musste nur das verdammte Glas leeren …
Geh weg!,
schrie er ihr innerlich zu. Ein Widerstand würde die Lage nur verschlimmern.
Ganz steif in seinem Bemühen, sich zu beherrschen, machte er einen Schritt auf das Tischchen zu.
Halt durch, Cam
, befahl er sich und biss die Zähne zusammen.
»Stimmt etwas nicht, Cameron?«, fragte ihn das Mädchen. Er war unnatürlich bleich und verzog schmerzhaft das Gesicht.
Winter konnte seine Angst spüren.
Ohne die Augen von seinem Gesicht abzuwenden, gelang es ihr zurückzuverfolgen, worauf sein Blick gerichtet war.
Das Glas.
Es war mit tiefrotem Wein gefüllt.
Ohne Eile ging Winter hin und nahm es in die Hand.
Es hatte einen merkwürdigen, irgendwie vertrauten Geruch. In dem Moment verstand sie.
Cameron stürzte sich auf sie und drückte sie gegen die Wand. Das Getränk schwappte über und ein blutroter Schwall ergoss sich über sie.
Sugnwr gwaed
, hallte Bethan Davies’ Stimme in ihrem Kopf. Vampir.
Winter schrie auf, überwältigt vom Schrecken, und versank in einem Strudel von Empfindungen.
D arran Vaughan warf sich mit übermenschlicher Geschwindigkeit auf Farland. Er riss ihn buchstäblich von Winter Starr fort und schleuderte ihn weg.
Der Junge prallte gegen die Wand und das Mädchen schrie erneut.
Erst jetzt setzte die Zeit wieder ein. Farland sackte in die Knie, richtete einen flammenden Blick auf die beiden und sprang mit der kraftvollen Anmut eines großen Raubtiers wieder auf. Kurz bevor er Winter packen konnte, stellte sich ihm Rhys Llewelyn in den Weg, doch er stieß ihn zurück, als wäre er federleicht.
Winters Knie gaben nach. Sie glitt langsam zu Boden und drückte sich dabei an die Wand, so gut es ging.
Sugnwr gwaed …
Ein Sturm unerklärlicher Empfindungen überkam sie. Ihr war so schwindlig, dass sie sich nicht bewegen konnte.
Von wiederholten Schauern gepackt, lag sie am Boden und merkte nicht, dass ihr die Tränen über das Gesicht liefen.
Vaughan stellt sich in die Mitte des Raums.
»Beherrsch dich, Farland!«, brüllte er, und die Drohung in seinem Blick war unverkennbar. Rhys stand reglos vor Winter, jeder Muskel seines Körpers war angespannt und bereit loszuschnellen.
Das kann nicht sein, das kann nicht sein!,
wiederholte Winter innerlich, wie eine Zauberformel, während sie spürte, wie die Angst immer stärker in ihr hochstieg.
Auch Farland zitterte. Er rang nach Fassung, aber es war ein Kampf, den er nicht gewinnen konnte.
Da schnellte der Lehrer vor und drückte ihn auf den Boden, indem er ihm ein Knie in den Bauch rammte.
»Llewelyn«, rief er.
Winter hatte das Gefühl, unterzugehen. In dem Moment drehte Rhys sich um und starrte sie einen Augenblick lang an. Dann erhob er sich wie in Trance. Seine jaspisfarbenen Augen funkelten unnatürlich, seine schönen Lippen waren gekräuselt und ließen die Eckzähne erkennen.
Entsetzen packte sie, doch gleichzeitig explodierte wie ein Vulkan ein verblasstes Gefühl in ihr, das sie nicht vergessen konnte.
Ihre Handfläche schmerzte. Winter zwang sich, ihre Finger zu lösen, als Vaughan und Rhys um Farland herumstanden, und merkte, dass sie die ganze Zeit den Kristallanhänger umklammert hatte.
Automatisch legte sie ihn um den Hals.
Als sie sicher war, dass ihre Beine sie wieder trugen, stand sie schwankend auf und machte ein paar unsichere Schritte.
»Starr«, rief die freundliche Stimme des Lehrers. »Warte, Winter …«
W inter saß völlig kraftlos auf dem Sofa, als würde sie am liebsten darin versinken, und weigerte sich, die anderen anzusehen. Sie biss auf ihrem Zeigefinger herum, bis er ihr wehtat.
Einzig dieser leichte Schmerz verhinderte, dass sie vollends die Nerven verlor.
Darran Vaughan starrte sie an und fragte sich, was er tun
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