Winter - Erbe der Finsternis (German Edition)
zitterten.
Rhys hielt den Atem an.
»Und wenn es im Grunde ganz einfach wäre?«, hörte er sie murmeln. »Zwischen uns, meine ich …«
Mit ungeheurem Kraftaufwand wandte er sein Gesicht ab und stand auf, trat einen Schritt zurück.
»Ist es aber nicht.«
Winter ließ ihre Hand fallen, fühlte sich zurückgestoßen, verletzt. Sie erhob sich ebenfalls, wandte ihm den Rücken zu, und der Junge fürchtete, sie würde gleich weglaufen.
Ihm schien, als würde in seinen Lungen nie mehr genug Luft sein, und er konnte nicht anders, als zu ihr zu gehen.
Winter fühlte, wie sie von seinen Armen umschlossen wurde, und lehnte ihren Rücken an seine Brust.
»Ich wünschte, es gäbe eine Möglichkeit«, sagte Rhys und presste seine Lippen auf ihre Schläfe.
»Vielleicht gibt es eine …«
Winter entfernte sich rasch, bevor es zu spät war, und Rhys hielt sie nicht zurück.
Gareth Chiplin, der sich mit großen Schritten näherte, hätte es nicht gern gesehen.
»Was geht hier ab, Llewelyn?«
Gareth sprach leise, weil Winter noch in Hörweite war, aber er kam im Sturmschritt auf den Vampir zu.
»Guten Abend, Chiplin«, erwiderte Rhys kühl.
Er sah ihn zittern vor Wut, maß dem aber keine große Bedeutung bei.
»Was willst du von ihr? Ich dachte, du wüsstest, wo ihr Blutsauger hingehört!«
»Warum sagst du nicht gleich Monster?«, gab Rhys zurück. »Das ist es doch, was du von uns denkst, nicht?«
Gareth starrte ihn mit loderndem Blick an. Seine Hände zitterten und durch die Bemühung, sich zu beherrschen, war jeder Muskel seines Körpers angespannt.
»Was willst du von ihr?«, wiederholte er beharrlich.
»Wir haben miteinander geredet. Es gibt keine Regel, die das verbietet, soviel ich weiß …« Rhys vernahm die Beschleunigung seines Herzschlags. Unter immenser Anstrengung rief er sich in Erinnerung, dass Gareth im Grunde recht hatte.
»Ach ja, gewiss, miteinander reden … Da habe ich wohl falsch gesehen! Es ist alles unter Kontrolle, nicht wahr, Llewelyn? Es ist normal, dass du, ein Vampir, und sie …« Er musste sich unterbrechen, um die Beherrschung nicht zu verlieren. »Sie ist eine von uns!«
»Ich weiß, wer ich bin. Und ich weiß, wer Winter ist«, antwortete Rhys mit warnendem Unterton.
Gareth hob die Augen zum Himmel.
»Tatsächlich? Dann weißt du mehr als andere …« Er musste beinahe lachen. »Sie jedenfalls weiß es nicht!«
Sie musterten sich feindselig, dann seufzte der Vampir.
»Sie wird sich Schwierigkeiten einhandeln mit ihren Nachforschungen«, meinte er düster.
»So, wie du dich verhältst, hilfst du ihr jedenfalls nicht!«, gab Gareth knurrend zurück.
Er wollte nicht wahrhaben, dass der Nox ehrlich besorgt war, mindestens so sehr wie er selbst.
»Dessen bin ich mir bewusst, Chiplin.«
Gareth grinste, aber mehr über sich selbst.
»Nein, bist du nicht!«, widersprach er aus tiefster Überzeugung.
Er weidete sich an Rhys’ fragendem Blick und seinem Zorn.
»Denn darin bist du genau wie wir alle«, sagte er mit Genuss. »Wenn es um Winter geht, ist dein Kopf das Allerletzte, was denkt!«
Gareth kam erst sehr viel später nach Hause. Es hatte zu regnen begonnen und die klatschnassen Haare klebten ihm im Gesicht, während er durch die Straßen irrte und versuchte, wieder zur Ruhe zu kommen.
Winter sprach gerade mit ihrer Freundin oder der Anwältin am Telefon.
Oder mit irgendeinem verdammten Vampir!
, dachte er bitter.
Er konnte ihr den ganzen Abend nicht ins Gesicht sehen. Es gab eine Menge gute Gründe, warum er auf Rhys losgegangen war, und einige davon gefielen ihm gar nicht.
I ago Rhoser war ein kräftiger Mann um die fünfzig, mit einer düsteren Ausstrahlung. Eine lange Narbe, die über seine linke Gesichtshälfte verlief, verlieh sogar seinem seltenen Lächeln etwas Unheilvolles. Viele sahen einen Helden in ihm, andere eine schreckliche Bedrohung, und dessen war sich der Exekutor mehr als bewusst.
Sein Name konnte Tod bedeuten, und die Angst, die er hervorrief, machte er sich zunutze, um sich ungestört zu bewegen und seine Mission zu erfüllen.
Ein Besuch von Iago Rhoser war immer eine letzte Warnung des Rats.
Er musste sich der Frau nur zeigen, um sie erbleichen zu sehen.
»Welch unerwartetes Vergnügen«, sagte Susan Bray.
Der Mann betrat mit einem sarkastischen Lächeln die Wohnung.
»Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen, Ms Bray«, erwiderte er, zog sich unbekümmert die Jacke aus und warf einen Blick in den Raum.
Höflichkeiten
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