Winter - Erbe der Finsternis (German Edition)
auszutauschen bereitete ihm ein sadistisches Vergnügen. Er konnte die Gedanken der Frau erahnen, und sogar ihre Angst riechen.
»Es ist immer ein Vergnügen, dem Rat zu dienen«, antwortete sie kühl.
Ihr Freund Richard, dieser Feigling ohne Rückgrat, hatte sie verraten.
Ich hätte es mir denken können.
Blieb nur noch die Frage, wie weit sein Verrat gegangen war.
Sie ließ sich nichts anmerken, forderte den Mann auf, Platz zu nehmen, und schenkte ihnen beiden zu trinken ein.
Der Blick des Exekutors verfolgte jede ihrer Gesten, lag ihr auf den Schultern, schwer wie eine dunkle Vorahnung. Er wollte sich wahrscheinlich versichern, dass sie seinen Whisky nicht vergiftete.
»Bitte sehr«, sagte sie zuvorkommend. Um Missverständnissen vorzubeugen, ließ sie ihn das Glas auswählen.
Iago Rhoser grinste zufrieden.
Es hätte ihm wenig Befriedigung verschafft, wenn er es mit einer Idiotin zu tun gehabt hätte.
Er hielt sich das Glas unter die Nase, atmete das Aroma der bernsteinfarbenen Flüssigkeit ein und nickte langsam. Erstklassige Ware, alle Achtung.
Ganz gemächlich begann er zu trinken, als ob er sich ihrer Anspannung nicht bewusst wäre.
Iago Rhoser kannte die menschliche Seele. Die Rechtsanwältin musste ohne Eile zermürbt werden.
»Ausgezeichnet«, meinte er zustimmend, als der Whisky ihm den Gaumen kitzelte.
Es brachte Susan sogar zum Schmunzeln.
»Wem verdanke ich die Ehre Ihres Besuchs?«
»Können Sie es sich nicht denken?«
Erste Falle, sie waren erst bei den Aufwärmübungen.
»Ich bin alt genug, um gelernt zu haben, dass es besser ist, keine Vermutungen anzustellen.«
Die Kurve hatte sie elegant gemeistert.
»Ich weiß jedoch, dass Sie sehr clever sind«, wandte der Exekutor ein.
»Ich freue mich, dass der Rat mir das anerkennt.«
In Wahrheit hätte Susan in dem Moment ihre Seele verkauft, um für dumm gehalten zu werden, für dumm und harmlos.
»Oh ja. Die Fälle, mit denen Sie betraut sind, werden immer mit Interesse verfolgt.«
Der Ton war honigsüß, die Wirkung bedrohlich.
»Ich nehme an, Sie wollen ein paar Informationen, Mr Rhoser …«, bemerkte sie in entspanntem Plauderton. »Obwohl ich, ehrlich gesagt, nicht weiß, was ich noch hinzufügen könnte, das nicht schon in meinen Berichten steht.«
In der Stille einer weiteren schlaflosen Nacht schlug die Pendeluhr eins. Schlafentzug war ein gutes Foltermittel, Susan bewunderte das Geschick des Exekutors.
»Sie haben recht«, meinte er. »Die Berichte, die uns von Moores Büro zukommen, sind immer sehr ausführlich.«
Das war die erste Drohung. Elegant, einfach perfekt.
Stecken Sie Ihre Nase nicht allzu tief hinein, Ms Bray
, bedeutete es.
Rhoser behielt eine undurchdringliche Miene bei. Sein Gesicht wirkte wie in Leder geritzt: Die Natur hatte für ihn keine Fröhlichkeit vorgesehen, oder er hatte vergessen, wie man lächelte, ohne Angst einzuflößen.
»Gibt es einen Fall, der Sie besonders interessiert?«
Es war ein russisches Roulette und Susan hatte nicht die Absicht, etwas preiszugeben, das ihr nicht das Leben retten könnte.
»Der Fall Starr.«
Die Augen des Exekutors brannten wie Säurespritzer auf ihrem Gesicht.
»Gut«, sagte die Anwältin. »Den Fall habe ich persönlich betreut, wie Sie wissen.«
Einen Eindruck von Zusammenarbeit zu vermitteln, schien ihr ein cleverer Schachzug zu sein.
»Denken Sie, noch immer in der Lage zu sein, ihn zu betreuen?«
»Solange der Rat der Meinung ist, er falle in meine Zuständigkeit.«
Ihre Lippen verzogen sich zu einem verkrampften Lächeln.
»Und wenn er jetzt in
meine
Zuständigkeit fällt? Oder es schon immer so war?«, versuchte Rhoser sie in die Enge zu treiben.
»In dem Fall wünsche ich Ihnen viel Erfolg.«
»Sehr gut. Richard Moore war der Meinung, Sie hätten zu wenig Abstand …«
»Er glaubt, ich sei eine unheilbare Romantikerin. Ich erinnere ihn wahrscheinlich an unsere Jugendzeit!«
Der Exekutor grinste wieder. Ob sein Amüsement ein gutes Zeichen war, musste Susan allerdings erst noch herausfinden.
»Wie geht es Marion?«
»Mrs Starr?« Sie hoffte, die Frage würde nicht allzu gekünstelt klingen. »Ihr Zustand ist unverändert. Ich bin gegen weitere Besuche der Enkelin im Krankenhaus. Das Mädchen war schockiert über ihre Delirien.«
»Das wird Mr Fennah leidtun«, sagte Iago Rhoser mit gut gespieltem Bedauern. Sie näherten sich langsam dem kritischen Punkt des Gesprächs.
Für einen Moment empfand die Frau einen Schimmer von
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