Winter - Erbe der Finsternis (German Edition)
Rhys sie richtig hören konnte.
Die Schultern des Jungen wurden von einem leichten Beben erfasst. Das glühend rote Licht in seiner Iris wirkte unmenschlicher denn je.
»Hör auf damit, Winter. Was immer hier vor sich geht, mach ihm ein Ende. Ich bitte dich.«
Winter erzitterte, und das ganze Universum reduzierte sich auf die Gestalt des Jungen vor ihr.
Ich weiß nicht, wie …
Ihr kam es vor, als würde ihr Herz ganz langsam in laues, verlockendes und liebliches Wasser eintauchen. Und gleichzeitig pulsierte sie vor Glück. Wärme durchflutete ihren ganzen Körper.
Sie liebte Rhys Llewelyn.
Und diesmal war es keine weit zurückliegende und irreale Erinnerung, jeder Atemzug war in diesem Moment ein Versprechen für die Zukunft …
Ein verwundertes Lächeln umspielte die Lippen des Vampirs, als wäre zwischen ihren Empfindungen jede Grenze aufgehoben, und Winters Herz machte erneut einen Sprung.
Sie erlaubten ihren Händen, sich zu berühren, zu erkunden.
Sie verschränkten sie ineinander. Es war ein seltsamer Traum in Farbe, in dem sie sich gern verloren hätten.
Wir haben kein Recht dazu
, rief Rhys sich zur Ordnung.
Doch können wir es verhindern?,
erwiderte sie innerlich, als wäre sein Gedanke laut geäußert worden.
Mit vor Anspannung steifen Bewegungen glitt Rhys hinter sie. Winter spürte seine kalten Fingerspitzen auf ihrem Nacken und erbebte erneut.
Langsam fuhr der Vampir mit den Händen durch ihre dunklen Locken, die genauso weich waren, wie er sie sich vorgestellt hatte. Alle seine Sinne waren überwältigt von ihrer Nähe, fasziniert von jeder noch so flüchtigen Entdeckung: ihr Duft, die Beschaffenheit ihrer Haare, ihre vertrauensvolle Nachgiebigkeit …
Jede Einzelheit nahm ihn gefangen und lenkte ihn ab.
Mit einer Geste, die einer Liebkosung ähnlich war, schob er ihre Haare beiseite. Er grub die Fingerkuppen in die Wolle ihres Schals und empfand eine seltsame Erregung.
Sie hielt den Atem an, während er langsam den Schal löste und dabei jede Handbewegung wie ein sehnsüchtiges Ritual auskostete.
Wenn er gewollt hätte, hätte er sich in dem Moment ihr Leben nehmen können, es in einem Zug austrinken, seinen Mund auf ihren Hals drücken und die Zähne hineingraben.
Der Schal fiel auf ihre Knie, Rhys hielt inne und atmete den Duft ihrer Haare ein.
Schließlich legte er ihr die Silberkette um den Hals und ließ den Verschluss zuschnappen.
Lange Zeit bewegte sich keiner von beiden, ihr Herzschlag verlangsamte sich und die Emotionen verebbten. Als alles vorbei war, spürte Winter, dass es ihr fehlte, und sie stellte mit Erleichterung fest, dass die Empfindungen nicht ganz verschwanden, sondern jedes Mal eine tiefere Spur hinterließen.
W as ist geschehen?«
Rhys’ Umarmung gab ihr Wärme und Sicherheit, schaffte jede Angst aus der Welt.
Ihr schien, als würde in dem sicheren Hort seiner Arme alles erträglicher werden.
Sie saßen nebeneinander, umgeben von den verfallenen Mauern der Burgruine, und versuchten, wieder zu Atem zu kommen. Im rötlichen Licht des Sonnenuntergangs hielt Rhys sie fest umschlungen, und Winter wollte sich gar nicht mehr aus seiner Umarmung lösen.
»Wir haben dasselbe gefühlt, nicht wahr?«, wiederholte sie beharrlich.
Sie hörte ihn seufzen.
»Den DURST hast du schätzungsweise nicht gespürt …«, erwiderte er mit einem Hauch Traurigkeit in der Stimme.
Winter lächelte ihn verlegen an.
Sie starrte auf ihre ineinander verschränkten Hände.
»Du wirst mir nie etwas antun, Rhys.«
Er sah sie an, hin- und hergerissen zwischen Ironie und Verzweiflung, und ließ den Arm fallen, der ihre Schulter umfasst hatte.
»Wie kannst du so sicher sein? Dein Blut zieht mich an … und der Hauch der MACHT …«
Das Mädchen hielt seine Hand fest und ließ nicht zu, dass er sie zurückzog.
Doch sie war auch wütend.
»Für dich geht es also nur darum? Blut und MACHT ?«
»Schön wär’s, wenn es mir nur darum ginge«, erwiderte er und ließ zu, dass sie ihn festhielt, obwohl es ihm ein Leichtes gewesen wäre, sich zu befreien, »dann wäre alles einfacher.«
Sie versteifte sich. Doch ein Funke Verständnis für ihn ließ sie erröten. Sie hätte das Gespräch gern weitergeführt, zwang sich jedoch, das Thema zu wechseln.
»Es ist der Anhänger, nicht wahr?«, fragte sie ohne Umschweife. »Der Auslöser, meine ich …«
»Scheint so«, antwortete Rhys seufzend.
Winter war ihm viel zu nah, und ihr Herzschlag schlich sich immer wieder in seine
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