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Winter in Prag: Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg (German Edition)

Winter in Prag: Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg (German Edition)

Titel: Winter in Prag: Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine K. Albright
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Beneš versprach, noch am selben Tag zu antworten.
    Mein Vater schilderte die folgenden Ereignisse:
    Um 16 Uhr fuhr Gottwald zur Burg auf dem Hradschin, um die Antwort des Präsidenten anzuhören. Dann, wenige Minuten später, fuhr er wieder zum Wenzelsplatz. Er hielt ein Papier in der Hand. Es war die Liste einer neuen Regierung, unterschrieben vom Präsidenten der Republik. Sein [Gottwalds] Kopf war von einer russischen Schaffellmütze bedeckt. Zweihunderttausend mobilisierte Arbeiter erwarteten ihn. Polizisten und Arbeitermilizen mischten sich unter sie. Er gab die Bildung einer neuen Regierung bekannt und verlas die Liste. Er sprach Präsident Beneš seinen Dank aus, weil er den Willen und Wunsch des Volkes respektierte.
    Der Mob begleitete jedes Wort von Gottwald mit frenetischem Applaus und donnernden Schüssen. Irgendwo in der Nähe der Burg des Präsidenten versammelten sich wiederum einige Tausend Universitätsstudenten, um zu seiner Residenz zu marschieren. Die Polizei schoss auf sie. Die abgesetzten Minister hörten sich in ihren Häusern, umgeben von Polizisten, Gottwalds Ansprache an. Er war ganz offensichtlich trunken, trunken von Alkohol und vom Erfolg. Es war ein bitterkalter Tag. Graue Wolken verhüllten die Sonne. In der Tschechoslowakei war die Demokratie tot. 49

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DER STURZ
    J an Masaryk lebte in einer privaten Wohnung im nordöstlichen Teil des Černín Palais. Die lange, schmale Wohnung, die im Vergleich zur Umgebung recht bescheiden war, konnte man über einen Privataufzug betreten. Das Wohnzimmer hatte Platz für ein Sofa und mehrere Sessel, einen Schreibtisch und Bücherregale. Das Radio, das noch heute dort steht, war einen Meter hoch und stand gegenüber dem Messingbett. Auf der gleichen Seite befand sich auch die Tür zum Bad. Die Außenwand war von vier hohen und rechteckigen Fenstern durchbrochen und überragte den Innenhof des Gebäudes um neun Meter. Etliche Durchgänge (teils verborgen und für das Personal gedacht) führten in den benachbarten Flur. Ein nicht geladener Besucher kam, wenn er einmal im Innern des Palastes war, ohne weiteres bis zur Tür des Außenministers.
    Weil Masaryk nicht Mitglied einer politischen Partei war, war er an der Februarkrise nicht unmittelbar beteiligt gewesen. Man hatte ihn nicht zu Ripkas Plänen um Rat gefragt, er war nicht zurückgetreten und ist womöglich niemals zum Rücktritt aufgefordert worden. Er war kein politischer Stratege, sein Bronchienleiden machte ihm darüberhinaus sehr zu schaffen. Am Morgen nach dem Putsch schickte er eine Notiz an Marcia Davenport, teilte ihr mit, dass er vorläufig in der Regierung bleiben werde, und beruhigte sie ungeachtet der schockierenden Ereignisse: »Das ist nicht das Ende.« 50
    Masaryk sagte nicht viel zu der Rücktrittsstrategie der demokratischen Minister, räumte lediglich im privaten Kreis ein, dass es ein Fehler gewesen war. Damit hatte er sicher Recht. Mit ihrem Rücktritt hatten die Minister Gottwald die Gelegenheit gegeben, die Macht über Mittel an sich zu reißen, die viele für verfassungsmäßig halten sollten. Er musste weder auf sowjetische Soldaten noch auf
öffentliche Drohungen zurückgreifen, setzte sich vielmehr über eine Kombination aus Unterwanderung der Polizei, politischem Vabanquespiel und gut koordinierten Massenaktionen durch. Er war selbst überrascht, wie leicht es ihm gefallen war. »Ich wusste, dass ich sie am Ende kriegen würde«, sagte er einmal unbesonnen zu Masaryk, »aber ich hätte nie gedacht, dass sie mir ihren Kopf auf dem Silbertablett präsentieren würden.« 51
    Es ist durchaus möglich, dass der Rücktrittsplan lediglich eine Machtübernahme beschleunigte, die ohnehin früher oder später erfolgt wäre. Gottwald hätte mit Sicherheit einen anderen Vorwand gefunden, um Unruhe zu stiften. Indem die demokratischen Minister die Verschwörung des Gegners zur Unterwanderung der Polizei aufdeckten, hatten sie die Kommunisten jedoch in die Enge getrieben. Wenn man Gottwald zu einer Verzweiflungstat gezwungen hätte, hätte er womöglich einen Fehler begangen; vielleicht hätten sich die Sozialdemokraten auf die Seite der anderen demokratischen Parteien geschlagen; Beneš hätte sich womöglich zugetraut, die Nation zu versammeln; und die Armee, deren Loyalität gespalten war, hätte sich möglicherweise für das richtige Lager entschieden. Wie bei den vielen »Was wäre wenn«-Szenarios, die nach der Konferenz von München aufkamen, lässt sich die Frage nicht mit

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