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Winter in Prag: Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg (German Edition)

Winter in Prag: Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg (German Edition)

Titel: Winter in Prag: Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine K. Albright
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eindeutig probritisch ist, und zwar jederzeit, und er hat es nie versäumt,
mir Informationen zukommen zu lassen … die seiner Ansicht nach für meine Regierung von Nutzen sein könnten.… Ich habe ihn in jeder Hinsicht als anständig, ehrlich, respektabel kennengelernt, und ich zögere nicht, ihn als einen besonders lohnenden Fall zu empfehlen. 55
    Peakes Telegramm wurde mit Dringlichkeit bearbeitet. »Was haben wir unternommen?«, schrieb Außenminister Ernest Bevin an den oberen Rand des Telegramms. Binnen weniger Tage willigte die britische Regierung ein, Visa für unsere engere Familie zu erteilen. Die Vereinten Nationen diskutierten jedoch immer noch über die Bedingungen, unter denen die Kaschmir-Kommission arbeiten sollte, und mein Vater fürchtete schon, dass Gottwalds Angebot möglicherweise rückgängig gemacht werde. Er tröstete sich mit dem Umstand, dass Jan Masaryk noch Außenminister war.
     
    A m 7. März veranstaltete die neue Regierung der Tschechoslowakei eine Feier zum 98. Geburtstag von Tomáš G. Masaryk. Die Redner, zum größten Teil Kommunisten, erzählten die bekannten Geschichten von seinen großen Taten und stellten die geradezu absurde Behauptung auf, dass der ältere Masaryk, wenn er noch am Leben wäre, die aktuelle Entwicklung begrüßt hätte. Im Anschluss an die Ansprachen begab sich eine Gruppe von Ministern nach Lány, wo sie offiziellen Fotografen einen Gefallen taten, indem sie sich am Grab des Staatsgründers aufstellten.
    Ein Minister kam allerdings erst, als die anderen wieder abgefahren waren.
    Es besteht kein Zweifel daran, dass Jan Masaryk an jenem Nachmittag das Grab seines Vaters aufsuchte. Allerdings ist nicht ganz klar, ob er dies in Begleitung eines Privatsekretärs tat, wie der Sekretär später erklärte; oder seiner Nichte, wie diese später behauptete; oder lediglich mit seinem Leibwächter, wie dieser erklärte. Der Außenminister blieb möglicherweise nur fünf Minuten oder eine volle Stunde. Eventuell bewegten ihn in diesem Moment Emotionen und Gedanken, die zu einer folgenschweren Entscheidung führten  – oder er kam lediglich der Pflicht des Sohnes nach.
    Masaryk wusste zu der Zeit bereits, dass Davenport sicher unterwegs nach London war; er hatte einen Freund zum Flughafen geschickt, um sicherzugehen, dass sie ohne Zwischenfall abreiste. Am Vorabend war er außerstande gewesen, in Worten auszudrücken, wie sehr ihn das Treffen am Nachmittag niedergeschlagen hatte. Er war nach Sezimovo Ústí gefahren, um Beneš zu fragen, was er vorhabe und was er selbst, Beneš’ Meinung nach, tun solle. Hatte der Präsident womöglich einen Plan? Gab es irgendetwas, was der Außenminister noch tun konnte, um das Ehrenwort zu halten, das er seinem Vater gegeben hatte? Dem alten Präsidenten hatten diese Fragen überhaupt nicht gefallen; er war ganz aufgebracht und wütend geworden und hatte gegenüber Masaryk geäußert, dass es ihm völlig gleichgültig sei, was er tue, dass er sich um seine eigenen Probleme kümmern solle. Die Situation sei unmöglich, kam die Antwort. Jan sagte, er könne so nicht weitermachen; er habe die Absicht, das Land zu verlassen.
    Das ist zumindest eine Version von dem Treffen. Eine zweite wirft hingegen ein Licht auf eine Diskussion um Drtinas Selbstmordversuch, den Masaryk angeblich als etwas verwarf, das »ein Dienstmädchen tun würde«. »Ein Selbstmord«, erklärte er dem Vernehmen nach, »spricht keinen Menschen von seiner Verantwortung frei. Es ist eine sehr jämmerliche Flucht.« 56 In dieser Version ist keine Rede von einer Auseinandersetzung mit Beneš, sondern eine Andeutung von Masaryk gegenüber einem Dritten, Dr. Oskar Klinger, dass er und Klinger gemeinsam das Land verlassen könnten. Der Arzt, der Masaryk und Beneš behandelte, war die vierte Person, die bei dem Treffen vom 6. März anwesend war, neben den beiden Hauptpersonen und Frau Benešová. Die zweite Darstellung der damaligen Ereignisse erzählte Klinger dem in Tschechien geborenen englischen Journalisten Henry Brandon. Die erste, die übrigens ebenfalls von ihm stammte, gab er Davenport. Merkwürdigerweise widersprechen sich beide Versionen nicht direkt, aber sie überschneiden sich auch nicht.
    Am Dienstag hatte Masaryk einen Anlass, wiederum Beneš zu besuchen. Der neu ernannte polnische Botschafter war in Prag eingetroffen und wollte sein Beglaubigungsschreiben überreichen.
Masaryk und Clementis begleiteten ihn zu einem kurzen Treffen mit dem Präsidenten nach

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