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Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition)

Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition)

Titel: Winter People - Wer die Toten weckt: Wer die Toten weckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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dachte an ihre Hände, die sich damals so verzweifelt an den kleinen Charles geklammert hatten, als seine Glieder schon kalt und seine Lippen blau waren.
    Ich spüre sein kleines Herz schlagen.
    Wenn sie Gertie verlören, würde das seine Frau in den Abgrund reißen, dessen war sich Martin gewiss.
    Sie sah ihn und eilte zu ihm hin. Ihre Augen waren groß und voller Hoffnung. »Ein Lebenszeichen?«
    Er schüttelte den Kopf. Einen Moment lang starrte sie ihn ungläubig an.
    Er dachte an die Fähe mit ihren goldgeränderten Augen, wie sie ihn angeschaut hatte, oder fast durch ihn hindurch, bevor er sie erschossen hatte.
    »Martin, es ist schon fast dunkel. Nimm das Pferd und reite in die Stadt. Berichte Lucius und Sheriff Daye, was geschehen ist. Trommle Leute zusammen, die uns bei der Suche helfen können. Sie sollen Laternen mitbringen. Und geh bei den Bemis’ vorbei, vielleicht hat man Gertie dort gesehen. Sie war einmal bei ihnen, um mit ihrer Tochter Shirley zu spielen.«
    »Ich mache mich sofort auf den Weg«, versprach er und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Geh du ins Haus. Wärm dich auf. Ich hole Hilfe.«
    Er war so hungrig, hatte solch einen rasenden Durst. Aber es wäre nicht recht, jetzt ins Haus zu gehen und auch nur ein Glas Wasser zu trinken. Nicht, wenn sein kleines Mädchen noch irgendwo dort draußen war, mutterseelenallein im Schneesturm. Er würde auf dem Weg in die Stadt am Bach haltmachen. Er würde sich bücken und trinken wie ein Tier.
    »Martin«, sagte Sara und nahm seine Hände. »Bete mit mir. Bitte.«
    Martin hatte nie viel vom Beten gehalten. Sara und Gertie beteten jeden Abend vor dem Zubettgehen, doch er nahm nie daran teil. Er ging mit ihnen allwöchentlich am Sonntag zur Kirche und hörte sich an, was Reverend Ayers aus der Bibel vorlas. Es war nicht so, dass Martin nicht an Gott geglaubt hätte, er glaubte bloß nicht daran, dass Gott ihm Gehör schenkte. Millionen von Menschen beteten jeden Tag zu ihm, warum sollte er da ausgerechnet auf die Stimme von Martin Shea aus West Hall, Vermont, hören? Doch in seiner Verzweiflung und immer größer werdenden Hoffnungslosigkeit nahm er nun im Schnee vor der Scheune die Mütze ab und neigte den Kopf, während Sara mit ihren blutigen Fingern seine Hände fest umklammerte.
    »Wir bitten dich, Gott«, begann sie mit heiserer Stimme. Martin warf ihr verstohlen einen Blick zu – sie hatte die Augen geschlossen, ihr Gesicht war rotfleckig, ihre Nase lief. »Behüte unsere Gertie. Bring sie wohlbehalten zu uns zurück. Sie ist ein gutes Mädchen. Sie ist alles, was wir haben. Gib auf sie acht. Bitte, bring sie zu uns zurück. Wenn sie nicht mehr ist, dann …« Sara versagte die Stimme.
    »Amen«, beendete Martin das Gebet.
    Sara ließ seine Hände los und ging in Richtung Haus davon, den Kopf noch immer gesenkt. Ihre Lippen bewegten sich, als führe sie ihre Unterredung mit Gott weiter, feilschend, bettelnd.
    Martin schob das Tor zur Scheune auf und hörte die Tiere, die ihm lautstark kundtaten, dass er sie heute noch nicht gefüttert hatte. Die Kuh war nicht gemolken worden. Sie muhte klagend, als er an ihrem Verschlag vorbeikam. Sie alle würden sich gedulden müssen. Er nahm den Sattel und schleppte ihn zur Pferdebox, als etwas seine Aufmerksamkeit erregte und er mitten in der Bewegung innehielt. Mit klopfendem Herzen stand er da. Der Sattel war schwer und unförmig in seinen plötzlich schweißfeuchten Händen.
    Das Fuchsfell war nicht mehr da.
    Vor Stunden hatte er es an die Nordwand der Scheune genagelt, damit es trocknen konnte. Dann war er ein Stück zurückgetreten und hatte sein Werk begutachtet. Hatte sich die Mütze vorgestellt, die Sara daraus vielleicht für Gertie nähen würde.
    Nun starrte er mit zusammengekniffenen Augen auf die leere Wand.
    Nur dass sie nicht leer war.
    Etwas anderes hing jetzt dort. Etwas Kleines, das im spärlichen Licht, das zum Fenster hereinfiel, schimmerte. Ihm stockte der Atem, als er einen Schritt darauf zu machte. Der Sattel glitt ihm aus den Händen.
    An einem Nagel im rauen Holz hing eine dicke Strähne blonder Haare.
    Gerties Zopf.
    Martins Magen krampfte sich zusammen, er krümmte sich vornüber und erbrach sich.
    Sein Kopf fühlte sich an, als läge er zwischen Amboss und Hammer. Martin hielt ihn mit beiden Händen und bohrte die Fingerspitzen in die Schläfen.
    Sein Blick glitt an sich herab, und er sah das Blut vom Häuten des Fuchses an seinen Kleidern.
    »Martin?«
    Er schluckte schwer

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