Winterfest
das Geld in den Panzerwagen ein- und ausgeladen wird«, erklärte er. »Es gibt einen regelmäßigen Bargeldtransport von Oslo, der heute Abend zwischen 21.00 Uhr und 22.00 Uhr ankommt. Außerdem gibt es zwei weitere Schwachstellen. Die eine ist eine Seitentür von der Garagenhalle zu einem anderen Mieter. Die zweite ist das Dach über einem Werkzeuggroßhandel in der Etage darüber, durch das man direkt in den Banknotenraum kommt.«
»Was ist unser Plan?«
»Das ist eine Aktion, die von der Osloer Polizei und dem Sondereinsatzkommando geleitet wird. Genau jetzt befinden sich rund vierzig Millionen im Depot. Das wird im Laufe des Tages geräumt und wir schleusen unsere Leute in das Gebäude. Das wahrscheinlichste Ziel ist der Bargeldtransport. Er wird mit Männern des Sondereinsatzkommandos besetzt sein und seine übliche Route absolvieren.«
»Was ist unsere Aufgabe?«
Wisting erhob sich wieder. Die Luft im Raum war stickig geworden.
»Unsere Abteilung erhält keine operativen Aufgaben«, sagte er. »Es wird ein Plan erstellt, mit dem wir einzelne zivile Fahndungsposten besetzen. Das nächste Nachbargebäude der Zählzentrale ist die Feuerwache. Wie werden dort eine Basis einrichten und die Videoaufnahmen verfolgen.«
»Bewaffnung?«
»Der Polizeichef hat verdeckte Bewaffnung mit Pistolen für unsere Einsatzkräfte angeordnet. Das gilt ab sofort, bis neue Anweisungen erfolgen.«
Das Telefon vor ihm vibrierte zum dritten Mal. Wisting griff danach, nahm den Anruf aber wieder nicht an. »Noch Fragen?«
Niemand hatte noch etwas hinzuzufügen.
Die Besprechung war beendet. Stühle schurrten. Wisting musterte die Kollegen, die den Raum verließen. Harte, ernste und entschlossene Gesichter. Geballte Fäuste. Er spürte seinen Puls in der Schläfe pochen. Seit einer Woche jagten sie der Aufklärung des Falles hinterher. Jetzt würden sie in Echtzeit arbeiten. In einigen wenigen Stunden würden sie die Antworten wissen.
62
Leif Malms Stimme hörte sich zum ersten Mal nicht mehr ganz so fest an, als Wisting ihn zurückrief.
»Wir haben Rudi Muller verloren«, sagte er.
Wisting setzte sich an seinen Schreibtisch. »Wie das?«, fragte er.
»Er ist kurz nach sechs heute Morgen losgefahren. Das ist ganz untypisch für ihn. Bis acht Uhr haben wir nur eine kleine Besetzung, und den beiden Wagen, die wir hatten, ist er entwischt.«
»Habt ihr keine Peilsender in den Autos?«
»Doch, deshalb hatten wir auch nur zwei vor Ort. Wir haben das GPS-Signal verloren, als er in den Vaterlandstunnel fuhr, und er ist nicht wieder rausgekommen. Inzwischen haben meine Männer den Wagen wiedergefunden, er steht im Parkhaus unter dem Ibsenkvartal.«
Wisting sah das Parkhaus vor sich, das sich mitten im Zentrum von Oslo befand, mit einer direkten Zufahrt vom Ringveien, der durch den Tunnel führte.
»Er kann den Wagen gewechselt haben oder zu Fuß untergetaucht sein«, fuhr Malm fort.
»Was macht ihr jetzt?«
»Wir haben drei Beobachtungsposten. Am Auto, an seiner Wohnung und am Shazam Station .«
»Was ist mit der Telefonüberwachung?«
»Läuft, bringt aber nichts. Wir sind dabei, andere Nummern zu identifizieren, die er benutzt.«
»Hat der Informant etwas Neues?«
»Nein, sie hatten seit sechsunddreißig Stunden keinen Kon takt. Als Letztes haben wir erfahren, dass Muller unter Stress steht. Mal sehen, was er im Laufe des Tages so anstellt.«
»Habt ihr noch mehr über diesen Svein Brandt erfahren, den Muller angeblich im Hotel getroffen hat, als er in der Nacht zu Mittwoch in Larvik war?«
»Er ist gestern Abend nach Spanien zurückgeflogen. Möglich, dass er hier war, um einen Überfallplan zu verkaufen.«
Wisting sortierte die Papiere auf seinem Schreibtisch, in dem Versuch, System in die neuen Berichte zu bringen, die während seiner Abwesenheit hereingekommen waren. »Was ist mit den Dänen? Habt ihr euch die mal näher angesehen?«
»Ja, aber bisher haben wir keine direkte Verbindung zu Muller oder anderen gefunden.«
Es wurde still, während Wisting nachdachte.
»Was machen wir jetzt?«, fragte er schließlich. »Was bedeutet es, dass Muller verschwunden ist?«
»Ich glaube, es bedeutet, dass alles Mögliche passieren kann«, erwiderte Malm. Seine Stimme hatte etwas von ihrer Festigkeit zurückerhalten. »Ich werde zusammen mit dem Einsatzkommando losfahren. Wir sind vor zwölf bei euch.«
63
Der Nebel war wieder da. Line stand am Fenster, die Arme vor der Brust verschränkt. Nach zwei Tagen mit warmer
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