Winterfest
Geständnis erreicht hat«, fuhr R ø nningen fort.
Wisting murmelte etwas, dass es eher zufällig dazu gekommen war. Thomas R ø nningen äußerte sich noch weiter über die Polizeiarbeit und die Kommentare zu dem Thema in den Medien, während Wisting den letzten Fensterladen einsetzte.
Die Lösung des Falles hatte sich als das erwiesen, was sie fast immer war, wenn man sie kannte. Einfach.
Jostein Hammersnes war spätabends in seiner Hütte angekommen und hatte entdeckt, dass eingebrochen worden war. Während er seine ausgeraubte Hütte in Augenschein nahm, hatte er etwas gehört, das wie ein Schusswechsel klang. Er hatte den Feuerhaken aus dem Ständer neben dem Kamin genommen und war zu der Hütte von Thomas R ø nningen hinübergelaufen.
Auch dort hatten die Einbrecher gewütet. Er war in das Haus gegangen, um sich die Verwüstung näher anzusehen, und während er sich dort aufhielt, war ein blutender, maskierter Mann hereingetorkelt, mit einer Pistole in der einen Hand und einer Tasche in der anderen. Voller Panik hatte Hammersnes den Feuerhaken hochgerissen und dem Mann auf den Kopf geschlagen. Erst einmal, dann noch einmal. Und schließlich ein drittes Mal, als der Mann versuchte, auf die Beine zu kommen und Hammersnes’ Angst in pure Wut umschlug.
Die Tasche, die der maskierte Mann fallen gelassen hatte, war offen gewesen. Hammersnes hatte die Geldbündel gesehen, mit denen die Tasche bis zum Rand vollgepackt war. Er hatte Pistole und Tasche an sich genommen und war aus der Hütte gerannt, während der Mann blutend zurückblieb.
»Der ganze Fall fasziniert mich«, fuhr R ø nningen fort. »Wie mehrere Ereignisse ineinandergreifen und eine Art Kettenreaktion auslösen. Was mich am meisten beeindruckt, ist dennoch, wie Sie die beiden Mörder dazu gebracht haben, zu gestehen.«
Wisting nahm das Telefon wieder in die Hand, drehte sich um und blickte aufs Meer hinaus. Er verfolgte einen Frachter mit den Augen.
Er wusste, dass er gut im Vernehmen von Verdächtigen war. Das war die jahrelange Erfahrung. Aber auch noch etwas anderes, Intuition konnte man es wohl nennen. Er sah das auch bei den Kollegen. Manche hatten Talent, andere wurden nie richtig gut darin. Manche wussten, welche Fragen sie stellen mussten, um das Gespräch in Gang zu bringen. Sie hatten ein Gespür dafür, wann Schweigen nicht mehr konstruktiv wirkte, sondern den anderen verunsicherte, und sie konnten sich auf denjenigen einstellen, mit dem sie sprachen. Andere konnten Techniken lernen, Kurse besuchen, Videoaufnahmen studieren, und sie mochten wohl ganz passabel im Verhören werden, aber mehr auch nicht. Es faszinierte ihn immer noch, wie verschieden Polizisten im Vernehmungsraum auftraten. Aber denen, die Erfolg hatten, waren Kreativität, Ausdauer, logisches Denken und echte Neugier gemeinsam. Und Intuition.
Wisting war sich darüber im Klaren, dass lügen der einfachste und naheliegendste Ausweg für die allermeisten Befragten war. Deshalb bestand sein Ziel bei jeder Vernehmung darin, sein Gegenüber zu der Einsicht zu bringen, dass es keinen Weg gab, um sich aus der Sache herauszulügen. Wenn er das schaffte, wenn der Verdächtige tatsächlich erkannte, dass es auch Erleichterung brachte, die Wahrheit zu erzählen, dann war der Kampf gewonnen.
»Es ist ein bisschen so wie das, was Sie in Ihrer Sendung machen«, sagte er. »Sie bringen Ihre Gäste ja auch gern dazu, mehr zu erzählen, als sie eigentlich von vornherein vorgehabt hatten.«
»Interessant, dass Sie das so sehen«, meinte der Moderator. »Ich habe vor, Verbrechen zum Thema meiner nächsten Sendung zu machen, und ich hatte gehofft, Sie könnten einer meiner Gäste sein.«
Wisting kam nicht dazu, darauf zu antworten, denn R ø nningen fuhr fort: »Es wird eine Sendung werden, die ganz ungewöhnlich ist. Ich als Moderator, von dem Sie erst fürchteten, er könnte das Mordopfer sein, der dann später zum Verdächtigen wurde, und Sie als Ermittler, der die Wahrheit herausgefunden hat.« Thomas R ø nningen war ganz eifrig und nicht zu bremsen. »Ich möchte eine Sendung machen, bei der die Zuschauer anschließend dasitzen und darüber nachdenken, dass jeder von uns zum Täter werden kann, so wie Jostein Hammersnes. Mein Gott, ich kenne ihn doch. Wir sind Hüttennachbarn. Er ist ein stiller, bescheidener Computerfachmann. Weiß der Himmel, was in ihn gefahren ist, aber genau an dem Abend waren die Umstände so, dass er zum Mörder und zum Dieb wurde.«
Wisting nickte vor
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