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Winterfest

Winterfest

Titel: Winterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jørn Lier Horst
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bestimmte er. »Wir können ihnen aber ruhig noch etwas mehr geben. Schreib, dass wir wegen eines Gewaltverbrechens ermitteln und die Suche nach dem oder den Tätern mit Polizeihunden und Hubschraubern aufgenommen wurde.«
    »Gut. Brauchen wir Informationen? Über Personen, Fahrzeuge oder irgendwas?«
    Wisting überlegte, kam aber zu dem Schluss, dass es zu früh war, um nach konkreten Beobachtungen zu fragen. Sie hatten der Öffentlichkeit Zeit und Ort des Totschlags genannt. Erfahrungsgemäß würden die Leute, die etwas Ungewöhnliches bemerkt hatten, sich ohnehin melden.
    »Nein. Erst mal nicht«, erwiderte er. »Schickst du mir eine Kopie, wenn du die Meldung rausgegeben hast?«
    »Ja. In ein paar Minuten.« Der Einsatzleiter legte ohne Abschiedsgruß auf.
    Wisting schaltete den Rechner ein, lehnte sich zurück und wartete darauf, dass das Betriebssystem hochfuhr.
    Als er Mitte der Achtzigerjahre in der Ermittlungsabteilung angefangen hatte, wurden alle Berichte noch auf der Schreibmaschine getippt. Erst zehn Jahre später hatte jeder Ermittler seinen eigenen Computer erhalten.
    In den Regalen hinter ihm stapelten sich die Logbücher der großen Fälle, die er bearbeitet hatte. Sie enthielten die kompletten Aufzeichnungen zu jedem einzelnen Fall. Namen, die aufgeschrieben und wieder ausgestrichen worden waren. Manche waren eingekringelt oder mittels Pfeilen und Strichen mit anderen Namen verknüpft. Überlegungen und Gedanken waren notiert und die Verteilung der Arbeitsaufgaben festgehalten worden. Viele seiner Fälle waren durch komplizierte Ideenskizzen auf Papier ihrer Lösung nähergekommen.
    Jetzt war auch dieser Teil der Polizeiarbeit digitalisiert. Mittels einer eigens entwickelten Software konnten elektronische Projekträume eingerichtet werden, sodass sämtliche Informationen allen an der Ermittlung Beteiligten zur Verfügung standen. Die gesammelten Informationen sollten die Grundlage für eigene Analysen des Falles bilden. Alle Dokumente, die im Zusammenhang mit dem Fall auftauchten, wurden elektronisch erfasst und alle Personen, die involviert waren oder namentlich auftauchten, in einem eigenen Register geführt. Das Programm sollte die Durchführung einer umfassenden und effektiven Ermittlung von der Anfangsphase bis zum Abschluss sicherstellen. Ziel war es, für vollkommene Übersicht, Stichhaltigkeit, Objektivität und fachliche Qualität zu sorgen.
    Er loggte sich mit Usernamen und Passwort in das System ein und wartete, den Kopf an den Bildschirm gelehnt, bis der Rechner die Startroutinen abgearbeitet hatte. Dann wirbelte er mit dem Stuhl herum, öffnete den Schrank hinter sich und holte einen frischen Notizblock mit steifem Einbanddeckel heraus. Er nahm einen Bleistift aus der Stiftschale und schlug die erste weiße Seite auf. Ganz oben schrieb er hin: Wer?
    Die Tat oder das Motiv beschäftigten ihn vorläufig nicht. Zunächst mussten sie herausfinden, wer der Tote war. Die Antwort konnte sie direkt zum Täter führen.
    Er setzte die Brille auf, die für ihn unverzichtbar geworden war, und machte sich weitere Notizen. Fast eine Stunde lang sammelte er Stichworte für das, was wichtige Arbeitsaufgaben sein würden. Dinge, die wichtiger waren als andere, unterstrich er oder versah sie mit Randbemerkungen. Einzelne Stichworte wurden durch Erläuterungen ergänzt und vertieft. Er zeichnete Pfeile und Symbole und nummerierte durch, was Vorrang hatte und was warten konnte. Ganz oben auf der Liste stand die Erfassung elektronischer Spuren. Das waren wertvolle Informationen, die sichergestellt werden mussten, bevor zu viel Zeit vergangen war. Die Videobänder der Tankstellen wurden nach einer Woche gelöscht. Die Aufnahmen der verschiedenen Mautstationen wurden etwas länger aufbewahrt. Dasselbe galt für die Gesprächs- und Ortungsdaten im Mobilfunknetz. Oft wussten sie zum Zeitpunkt der Datensammlung noch nicht, wonach sie suchten, aber falls sie es versäumten, das elek tronische Material sicherzustellen, wäre es für immer verloren.
    Die rechtsmedizinische Untersuchung der Leiche war sehr wichtig. Vor allem, um die Identität des Toten festzustellen, aber es konnten sich auch Haare, Fasern oder andere Spuren an der Leiche befinden, die in direktem Zusammenhang mit dem Täter standen. Verletzungen, Blutansammlungen und Leichenflecke waren ebenfalls wichtige Informationen, die viel über den Tathergang aussagen konnten.
    Oft waren es die kriminaltechnischen Untersuchungen, die Antwort auf die Frage

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