Winterfest
Er griff nach der Jacke, die über der Rückenlehne seines Stuhls hing, und ging mit entschlossenen Schritten zur Tür.
6
Der Regen prasselte gegen die Windschutzscheibe, als Wisting aus der Garage des Polizeipräsidiums fuhr. Ein grauer Fluss. Er schaltete die Scheibenwischer ein. Die Regentropfen wurden weggeschoben, kamen zurück, verschwanden wieder.
Das Wasser schoss die Rinnsteine entlang, und wo die Gullys es nicht schnell genug aufnehmen konnten, bildeten sich große Lachen. Er fuhr die Prinsegate hinunter und bog an der Ampelkreuzung vor dem Bahnhof nach links ab. Die Straßen waren leer, eingehüllt in einen feuchten Schleier.
Die Fahrt nach Revet hinaus dauerte nur drei Minuten. Eine Straßensperre blockierte die Weiterfahrt. Zwei Streifenwagen standen Kühler gegen Kühler quer auf der Fahrbahn. Vor ihnen parkte ein dritter Polizeiwagen.
Ein Polizist im Regenmantel kam auf ihn zu. Seine Hände lagen auf einer Maschinenpistole, die vor seiner Brust hing.
Wisting ließ die Seitenscheibe herunter.
Der andere erkannte ihn und hob grüßend zwei Finger an die Mütze.
»Gibt’s was Neues?«, fragte Wisting.
Der Polizist schüttelte den Kopf. Regenvorhänge fegten über das Industriegelände. Die Hubschrauber kreisten in weiten Runden.
Im Rückspiegel sah Wisting die Lichter eines Autos. Der Polizist richtete sich auf und blickte in dieselbe Richtung. Ein kleiner roter Golf stoppte hinter ihnen und Garm S ø bakken von der Lokalzeitung stieg aus.
»Was ist los?«, fragte er und trat hinaus in den Regen.
Der Uniformierte antwortete nicht. Der Reporter drehte sich zu Wisting um.
»Wir suchen nach einem gestohlenen Wagen«, antwortete Wisting.
»Mit Hubschraubern und Waffen im Anschlag?«
Der Polizist mit der Maschinenpistole ging zurück zu der Straßensperre.
Wisting nickte. Er hätte eine Pressemeldung formulieren sollen, eher er losfuhr, aber er war davon ausgegangen, dass der Leiter der Einsatzzentrale schon daran arbeitete. Wenn die paar Details, die sie hatten, erst bekannt wurden, würde der Mediendruck enorm sein. Die Nachrichtenredaktionen konnten sich kaum etwas Besseres wünschen – ein Kriminalfall kombiniert mit Prominentenklatsch.
»Es wird eine Pressemeldung geben«, sagte er und schloss das Fenster wieder.
Normalerweise war er nicht so abweisend, aber im Moment wusste er nicht, wie er die derzeitige Situation erklären sollte. Dass ein Mörder entwischt war, weil er dem leitenden Ermittler das Auto klaute, ließ die ganze Sache ziemlich stümperhaft aussehen.
Der Reporter von der Østland-Posten hob die Kamera und richtete sie auf die Straßensperre. Wisting erkannte, dass es ein gutes Motiv war, mit dem Hubschrauber im Hintergrund.
Der stoppte abrupt, stieß herab wie ein Falke auf Beutejagd, stieg dann wieder auf und stand in der Luft, den Scheinwerfer senkrecht nach unten gerichtet.
Der Hubschrauberpilot meldete sich bei den Polizisten am Boden: »Heli für Fox null-fünf, kommen.«
»Fox null-fünf hört«, krächzte es im Polizeifunk.
»Wir haben vermutlich Zielobjekt im Visier. Thermokamera zeigt, dass der Motor noch warm ist. Keine Anzeichen von Menschen.«
»Verstanden, wir sehen nach.«
Einer der Streifenwagen, die die Straßensperre bildeten, ließ den Motor an. Wisting stieg aus, lief hinüber und setzte sich auf die Rückbank des Polizeiautos. Der Mann am Steuer drehte sich zu ihm um und nickte. Dann gab er Gas und fuhr auf den Lichtkegel des Hubschraubers zu.
Sie passierten das Terminal der Color Line und nahmen Kurs auf den Containerhafen, vorbei an Lagerhallen, Werkstätten und Laufkränen. Um die Laternen entlang der breiten Straße bildeten sich im Regen gelbe Lichtkränze.
Das Auto stand auf einem offenen Platz neben einer Pa lette Steinblöcke, die verschifft werden sollte. Die Windböen trieben das Wasser waagerecht über den Asphalt. Wisting musterte sein Auto aus zusammengekniffenen Augen. Es wirkte verlassen.
Von der anderen Seite näherte sich ein Polizeiauto, das auf dem Gelände Streife gefahren war. Es hielt zwanzig Meter vor Wistings Wagen und drei Männer stiegen aus. Über Funk wurde kurz Meldung gemacht. Sie gingen mit gezückten Waffen auf das Auto zu, während die beiden Polizisten aus dem Streifenwagen, in dem Wisting saß, sich jeweils von links und rechts näherten.
Sie stellten schnell fest, dass sich niemand in dem Auto befand. Einer der Männer richtete die Waffe auf den Kofferraum, während ein anderer ihn vom Fahrersitz aus
Weitere Kostenlose Bücher