Winterfest
Polizisten in Uniform veröffentlicht, der vor einer flatternden Polizeiabsperrung stand, mit einem Hubschrauber, der hinter seinem Rücken schwebte. Einer der örtlichen Freelancer der Zeitung hatte das Foto gemacht. Die Schlagzeile warnte die Leser vor einem flüchtigen Mörder. Sie warf einen Blick auf die Verfasserzeile. Einer der erfahreneren Journalisten, der für die Internetausgabe zuständig war, hatte den Artikel geschrieben. Wenn die Polizei sich bewaffnet hatte, konnte man sich natürlich fragen, ob die Situation gefährlich für die Öffentlichkeit war. Und solange die Polizei nicht für die Sicherheit garantieren konnte, war die effektvolle Schlagzeile berechtigt.
Sie überflog den kurzen Artikel und stellte fest, dass er nicht mehr Fakten enthielt als die Eilmeldung von NTB. Die Polizei hielt sich mit Informationen zurück. VG Nett würde später ein Update bringen.
Sie sah nach, was die anderen Zeitungen schrieben. Dagbladet zeigte eine Kartengrafik, Aftenposten brachte einen reinen Textartikel. Inhaltlich hatte keine der beiden etwas Neues zu vermelden.
Line arbeitete erst seit gut zwei Jahren bei VG, hatte aber in der kurzen Zeit bereits mehrere Journalistenpreise erhalten, und sie konnte sich nur diesen Beruf für sich vorstellen. Er war mehr als eine Einkommensquelle für sie geworden. Journalistin zu sein war eine Lebensart.
Sie sah die quirligen Redaktionsräume vor sich und war froh, dass sie sich vor Kurzem ein paar Tage freigenommen hatte. Sie arbeitete gerne an solchen Fällen, aber im Moment hatte sie an zu viel anderes zu denken.
Sie hörte, wie draußen auf der Straße eine Autotür zugeschlagen wurde, und ging zum Fenster, um nachzusehen. Die Straßenlaternen schwankten einsam im Wind. Der Asphalt drei Etagen unter ihr war nass, aber der Regen hatte nachgelassen.
Tommy hatte schräg gegenüber vom Eingang des Mietshauses geparkt. Er stand neben dem Auto und durchsuchte die Jackentaschen, bis er seine Zigaretten gefunden hatte. Er nahm eine heraus und sein ebenmäßiges Gesicht leuchtete im Flammenschein auf, als er sie anzündete.
Nachdem er den ersten Zug inhaliert hatte, warf er einen Blick zu ihrer Wohnung hinauf. Line wich einen Schritt vom Fenster zurück, sie wollte nicht, dass er sie sah.
Plötzlich zog er eilig sein Handy aus der Hosentasche, um einen Anruf anzunehmen. Er machte ein paar Bewegungen mit den Händen, während er sprach, dann warf er einen Blick in die Runde, ehe er das Auto aufschloss und sich hineinsetzte, so als wollte er vermeiden, dass ihn jemand hörte.
Als er wieder ausstieg, warf er die Kippe auf die Straße und trat sie mit dem Absatz aus.
Line stellte Tasse und Teller zusammen, die auf dem Couchtisch gestanden hatten, und ging damit in die Küche.
Tommy schloss die Wohnungstür auf und lächelte, als er sie sah. »Du schläfst noch nicht?«, fragte er.
Sie schüttelte nur den Kopf und vermied es, ihm in die braun gesprenkelten Augen zu sehen. Immer noch regte sich etwas in ihr, wenn Tommy das Zimmer betrat, aber ihre Entscheidung, die Vernunft siegen zu lassen, stand fest.
Er versuchte, ihr einen schnellen Kuss zu geben, aber sie wandte sich ab, um dem Zigarettengeruch auszuweichen. Er bemerkte es schmunzelnd und warf seine Lederjacke über einen Stuhl. Darunter trug er nur ein weißes T-Shirt, das an den Oberarmen zu eng war.
Er machte den Kühlschrank auf und nahm sich ein Bier heraus. Holte einen Öffner aus der Schublade und ließ ihn zusammen mit dem Kronkorken auf der Anrichte liegen. Die Sehnen an seinem Hals spannten sich wie Drähte, während er trank.
»Wie war das Essen mit deinem Vater?«, fragte er und lehnte sich an die Anrichte. »Hat’s geschmeckt?«
Line holte tief Luft und sprach den Satz aus, der seit Langem fertig in ihrem Kopf lag. »Es geht nicht mehr.«
Er sah sie verwundert an. »Was meinst du?«
»Du bist fast nie zu Hause und ich weiß nicht, wo du steckst oder was du tust.«
Er musterte sie. »Ich führe ein Restaurant«, versuchte er zu erklären.
»Da bist du doch auch nie. Ich weiß nicht, was du machst. Ich kenne weder deine Freunde noch sonst irgendwelche Leute, mit denen du zusammen bist.«
Tommy nahm wieder einen Schluck aus der Flasche.
»Du hattest doch gar kein Interesse, sie kennenzulernen«, sagte er. Sein dänischer Akzent trat deutlich hervor, wenn er ärgerlich war.
Line machte eine ungeduldige Geste mit den Armen. »Diejenigen, die ich getroffen habe, haben mich nicht gereizt, sie näher
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