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Winterland

Winterland

Titel: Winterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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nicht vergessen, dass es die Leiche eines Freundes war, die hier vor ihm auf einem Stuhl saß. Und er war froh, dass er das nicht vergessen konnte. Wenn ihm das gelungen wäre, dann hätte er einen derartigen Grad an Professionalität erreicht, dass alle Gefühle verschwunden gewesen wären. Das hier war sozusagen ein Test. Wenn ihn dies gefühlsmäßig nicht mehr berührt hätte … dann wäre seine Karriere praktisch am Ende gewesen, in diesem Moment, in diesem Kühlraum im Herzen des besten Restaurants der Stadt. Dann wäre er nichts als ein Roboter gewesen. Und ein Roboter empfindet kein Mitgefühl. Ein Roboter geht immer geradeaus. Einem Roboter mangelt es an Intuition. Das aber war Winters besondere Stärke beim Lösen von schwierigen Kriminalfällen. Intuition. Ein Gedanke hinter einem Gedanken. Eine Phantasie hinter dem Gedanken. Ein Bild, das es nicht gab, das aber da gewesen war. Ein Ereignis, das in Winters Wachträumen wiederholt werden konnte.
    Jetzt hörte er Stimmen von draußen. Er wandte sich um, ging durch den Raum und sah dabei seinen eigenen Atem vor sich. Das Wort bekam plötzlich eine neue Bedeutung für ihn, als hätte er es zum ersten Mal gedacht. Odem. Der Geist, der in ihm lebte. In Hirschmann da hinter ihm war kein Odem mehr, obwohl sein Mund offen stand. Sein Geist war nicht mehr da.
    Draußen traf Winter auf seinen Kollegen Bertil Ringmar und die Gerichtsmedizinerin Pia Fröberg. Beide standen mitten in der Küche, neben ihnen zwei Leute von der Spurensicherung. Ein dritter kam gerade mit zwei Kameras aus dem Speisesaal. Winter konnte da draußen Uniformen erkennen. Der Wachmann wartete unverändert neben der Tür zum Kühlraum. Er sah immer noch ziemlich mitgenommen aus und schien sich nach wie vor an die Wand hinter sich zu lehnen, damit er nicht umfiel.
    »Bist du da drinnen fertig?«, fragte die Ärztin. »Darf ich rein?« Sie nahm ihre Tasche und machte einen Schritt in den Raum. »Es ist eilig.«
    Winter nickte und trat einen Schritt beiseite, als sie vorbeikam. Natürlich hatte sie Recht. Je schneller sie die Leiche untersuchen konnte, und so weiter.
    »Sieh du es dir auch mal an«, sagte Winter zu seinem Kollegen und winkte ihn heran.
    »Hast du irgendetwas Besonderes gesehen?«, fragte Ringmar. »Gibt es etwas Bestimmtes, worauf ich achten soll?«
    »Seine Position«, sagte Winter. »Seine Position auf dem Stuhl.«
    Ringmar nickte und ging an ihm vorbei. Winter konnte hören, wie sich Pia Fröberg im Kühlraum bewegte. Er trat beiseite, als der Techniker kam, und wandte sich dann dem jungen Wachmann zu.
    »Wie heißen Sie?«
    »Be… Bengt Richardsson.«
    »Erzählen Sie mir mal, was passiert ist.«
    Offene Fragen. In einer Situation wie dieser war es immer am besten, mit offenen Fragen zu beginnen.
    »Pa… passiert? Von … wo ab?«
    Richardsson hatte sich von der Wand abgestoßen und schaffte es, ganz allein zu stehen. Die blaue Farbe wich langsam aus seinem Gesicht.
    »Von dem Zeitpunkt an, wo Sie von der Straße reingekommen sind«, sagte Winter.
    »Ich … ich habe aufgeschlossen. Wie immer.«
    Winter nickte.
    »Auch wenn vielleicht noch jemand … in der Küche war oder so, dann war doch zur Straße hin immer abgeschlossen. Ich glaube, es ist … der Oberkellner, der immer hinter sich abschließt, wenn er geht.«
    »Weiter«, sagte Winter und dachte, dass diese Befragung so verlief wie immer. Er bekam Antwort auf mehr Fragen, als er gestellt hatte.
    »Also, dann habe ich aufgeschlossen und die Alarmanlage im Eingang kontrolliert und bin dann durch die Toiletten gegangen … also, wie immer, und dann bin ich wie immer durch den Speisesaal und durch den anderen kleinen Teil des Restaurants … und dann bin ich hier rein.«
    Er machte eine Bewegung mit der Hand, als wolle er deutlich machen, dass sie in der Küche standen.
    »Und?«
    »Ja … ich habe hier auch die Alarmanlage kontrolliert, und die Sicherungen und die Rauchmelder … und dann habe ich gesehen, dass … dass die Tür offen stand.«
    »Die Tür stand offen?«
    »Zum Kühlraum«, sagte Richardsson. »Und die ist doch … immer zu.« Er drehte sich um. »Außer, wenn jemand drin ist.«
    »Und so hätte es heute Nacht auch sein können«, schlug Winter vor, »dass jemand drin war.«
    »So … war es ja auch«, fügte Richardsson hinzu.
    Unter normalen Umständen hätte das hier auch ein witziger Dialog sein können, dachte Winter.
    »Ist es denn nie passiert, dass diese Tür mal offen stand, als Sie in die Küche

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