Winterland
Polizeiinspektor Tord Nilsén. »Wofür hältst du uns denn?«
»Ich weiß, dass du einen guten Job machst, Tord. Ich habe nur eine Frage. Steht da noch so dreißig Meter in südlicher Richtung ein neueres Modell? Außerhalb der Parkzone?«
»Einen Moment«, sagte Nilsén, und Winter hörte, wie er etwas zu jemandem sagte, und dann war ein kurzes Rauschen zu hören. Die Stimme des Inspektors war wieder da.
»Antwort lautet nein.«
»Es steht kein Auto da? Vielleicht ein Volvo V70?«
»Ich bin gerade auf dem Weg da runter«, sagte Nilsén, und Winter konnte seine Schritte auf dem alten Kopfsteinpflaster hören. »Hier steht kein Auto, kein Volvo und nichts.« Kurze Pause. Winter hörte den Kollegen atmen. »Bis zum nächsten sind ein paar Parkplätze leer. Und das ist ein Japaner. Ein kleiner Japaner.«
»Lass den ganzen Weg bis zum Japaner absperren«, sagte Winter. »Und pass auf, dass da keiner rumtrampelt.«
»Ist jemand abgehauen?«, fragte Nilsén.
»Ich weiß es noch nicht. Mach einfach, was ich gesagt habe.«
»Okay«, erwiderte Nilsén.
Winter legte auf.
»Versuchen Sie doch mal, dieses Auto näher zu beschreiben«, sagte er zu Richardsson.
»Ein Volvo, glaube ich, sah aus wie ein V70.«
»Wie sicher sind Sie?«, fragte Winter.
»Tja, in dieser Stadt gibt es ja fast nur V70, deshalb ist man vielleicht schon etwas blind in der Hinsicht.«
Da könnte man fast drüber lachen, dachte Winter. Richardsson hatte Recht. Göteborg war die Heimatstadt des Autokonzerns Volvo, und die Göteborger fuhren das Auto ihrer Heimatstadt. Und die meisten bevorzugten das Kombimodell des V70.
»Es ist sehr wichtig«, sagte Winter.
»Glauben Sie, dass …«
»Beschreiben Sie das Auto«, unterbrach ihn Winter.
Und Richardsson versuchte es, aber ihm fiel nicht mehr ein, als er schon gesagt hatte. Keine Nummer, und in den düsteren Morgenstunden, in denen alles nur grau war, auch keine Farbe. Keine Gestalten, keine Silhouetten.
»Und es saß niemand in dem Auto?«
»Ich habe niemand gesehen.« Richardssons Gesicht hatte wieder Farbe bekommen, als würde ihn das Verhör beleben. »Ich habe den Wagen ja nur aus dem Augenwinkel gesehen.«
»Aus welchem Augenwinkel?«
»Wie?«
»Aus welchem Augenwinkel?«, wiederholte Winter.
»Äh … das muss links gewesen sein.«
»Okay.«
Immer gut, das noch mal zu kontrollieren, dachte Winter. Stand das Auto wirklich Richtung Süden, oder war es Norden gewesen?
Er holte sein Telefon heraus und rief Nilsén an, und der schickte eine Fahndung nach dem Auto raus. Eine Nadel in einem Heuhaufen zu suchen wäre leichter gewesen, sagte Nilsén zu sich selbst, als er die Zentrale anrief.
Noch ein paar Fragen, dachte Winter, als er die Blitzlichter drinnen im Kühlraum zucken sah. Lars Hirschmann erlebte seine letzte Fotosession. Davon hatte er sicher schon Hunderte oder Tausende gehabt. Er war für den Verband der Köche um die ganze Welt gereist, und das Blitzlichtgewitter hatte es bei jedem Wetter, in jedem Klima und über allen Herden und Arbeitsflächen gegeben.
»Wann sind Sie Lars Hirschmann das letzte Mal begegnet?«, fragte Winter.
»Das … das muss vor ein paar Wochen gewesen sein. Vor zehn Tagen vielleicht.«
»Wo sind Sie sich begegnet?«
»Wo? Hier natürlich.«
»Erzählen Sie.«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Es passierte einfach manchmal, dass er noch da war, wenn ich kam. Das ist alles.«
»So spät?«
Bengt Richardsson zuckte mit den Schultern.
»Er schien alles noch mal kontrollieren zu wollen. Wenn die anderen nach Hause gegangen waren.«
»Hat er das gesagt?«
»Ja.« Richardsson versuchte zu lächeln. Er fühlte sich jetzt etwas stärker. »Und er wirkte auch … als wäre er immer ganz Herr der Lage.«
Winter nickte. Hirschmann war ein Mann gewesen, der Autorität ausgestrahlt hatte. Es war ihm schwer gefallen zu delegieren.
»Worüber haben Sie sich denn so unterhalten?«
»Tja, also, wir haben nur ein paar Worte gewechselt. Irgendwas halt. Wie der Abend gelaufen war. Nichts Besonderes.«
»Und das letzte Mal, haben Sie da über etwas Besonderes geredet?«
»Nein. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern.«
»Hat Hirschmann manchmal von anderen Leuten gesprochen?«
»Ja, schon. Aber ich erinnere mich jetzt an niemanden.«
»Hat er jemals etwas darüber gesagt, dass er bedroht würde? Dass er vor irgendjemandem oder irgendetwas Angst hatte?«
»Nein. Jedenfalls nicht zu mir. Aber so gut kannten wir uns ja auch nicht.«
»Haben Sie
Weitere Kostenlose Bücher