Winterliebe
Freizeitsportler wurden mit lauten Bravo-Rufen, gellenden Pfiffen und frenetischem Beifall empfangen. Sie nahmen in der Mitte des Spielfeldes Aufstellung und ließen sich grinsend bejubeln. Adalbert hatte den Lederball unter seinen linken Arm geklemmt. Jetzt ließ er ihn auf den Boden fallen, und die Kicker verteilten sich über die beiden Spielfeldhälften. Waltraude hielt das alles auf Magnetband fest. Die Anzeigetafel befand sich genau gegenüber. Sie filmte die Uhrzeit und den Spielstand: 0:0. Das Match begann, und Waltraude verfolgte einen Großteil des Spielverlaufs auf dem Farb-LCD-Schirm der Kamera.
"Halt einfach drauf”, hatte ihr Adalbert geraten. "Ich schneide dann später die besten Passagen zu einem netten kleinen Erinnerungsfilm zusammen.”
Arnulf Ransmaier hatte ihr empfohlen, so wenig wie möglich zu zoomen, und sie hielt sich an diesen Rat, damit die Aufnahmen nicht zu unruhig wurden. Das Filmen machte ihr Spaß, und sie war schon sehr auf das Ergebnis gespannt. Ab und zu fiel ihr auf, dass Gregor Massinger zu ihr herübersah. Sie spürte seinen Blick auf sich ruhen, tat aber so, als würde sie es nicht merken. Es schmeichelte ihr, so großen Eindruck auf ihn gemacht zu haben. Aber er hatte natürlich nicht die geringste Chance bei ihr, denn sie liebte Adalbert Siebenstern. Wenn das allerdings nicht der Fall gewesen wäre…
"Tooor!”
Arme flogen hoch, Zuschauer sprangen jubelnd auf. Leider hatte Adalberts Mannschaft kein Tor geschossen, sondern eines bekommen, und die Fans der Gegner brüllten: "Zu-ga-be! Zu-ga-be! Zu-ga-be!”
Zwei Minuten später schrien sich die Anhänger der Schärpenmannschaft die Kehle heiser, denn Adalbert hatte sein erstes Tor mit einem Bombenschuss aus vollem Lauf erzielt. Arnulf Ransmaier schnellte hoch und dirigierte sofort mit fuchtelnden Armen einen dröhnenden Sprechchor, dem sich auch Waltraude anschloss. "A-dal-bert! A-dal-bert! A-dal-bert!”
So ging es weiter. Es fielen viele Tore, mal hier, mal dort, so dass die Fans beider Mannschaften immer wieder Grund zum Jubeln hatten. Es war ein sehr ausgeglichenes Match. Keine Mannschaft war der anderen besonders überlegen, und das machte das Spiel spannend und interessant, denn niemand konnte den Ausgang vorhersehen. Mit einem Spielstand von 7:7 gingen die Sportler in die Pause.
"Hier”, sagte Gregor Massinger und drückte Waltraude eine eiskalte Coladose in die Hand. "Zur Stärkung.”
"Danke.” Sie sah ihn an. Arnulf Ransmaier hätte ihn wohl gern auf dem Mond gesehen. "Zu wem hältst du eigentlich?” fragte Waltraude.
"Zu den Typen mit der Schärpe, obwohl sie keinen Biss haben. Denen fehlt der richtige Motor. Ein Spielmacher, der keinen Zweikampf scheut, der sie unermüdlich nach vorn treibt. Jede Säuglingsmannschaft hätte in der ersten Spielhälfte mehr Durchschlagskraft als sie gehabt. Sie sollten endlich mal etwas gegen ihre Ladehemmung tun und mehr aufs gegnerische Tor schießen.”
"Warum spielst du nicht mit, wenn du so gut Bescheid weißt?” fragte Waltraude.
Gregor Massinger zog die Mundwinkel nach unten. "Ich mache mich mit dieser Dilettantentruppe doch nicht lächerlich. Was machst du nach dem Spiel?”
Waltraude öffnete den Verschlus der Dose und trank mit gespitzten Lippen. "Ich weiß nicht, was Adalbert vorhat”, antwortete sie dann. "Wir werden hoffentlich den Sieg seiner Mannschaft feiern.”
"Oder die Niederlage.”
"Ist auch möglich.” Waltraude schmunzelte. "Hauptsache es wird gefeiert. Man muss das alles nicht so eng sehen. Ist ja bloß ein Spiel.”
"Finde ich nicht. Wenn man etwas macht, egal, was, sollte man es immer richtig tun, mit vollem Einsatz, das ist meine Meinung. Was da unten in der ersten Spielhälfte ablief, war die armselige Darbietung zweier Rentner-Gangs.” Er kehrte an seinen Platz am anderen Ende der Tribüne zurück.
"Gott, ist das ein elender Angeber”, stöhnte Arnulf Ransmaier. "Nicht auszuhalten, dieses prahlerische Geschwafel. Richtig schlecht kann einem davon werden.”
Die Kicker kamen
Weitere Kostenlose Bücher