Winterliebe
Adalbert schüttelte ernst den Kopf. "Keine einzige. Ich schwör’s.”
"Ich bewundere Menschen, die zu sich selbst so hart sein können.”
"Wenn ich mir etwas in den Kopf setze, ziehe ich das ohne Rücksicht auf Verluste durch”, behauptete Adalbert. Er blieb stehen und sah Waltraude an. "Kannst du mit einer Videokamera umgehen?”
"Ich hatte schon mal eine in der Hand.”
"Großartig”, sagte Adalbert. "Dann wirst du unser Match aufzeichnen, ja?”
"Einverstanden. Aber nur unter der Bedingung, dass du nicht meckerst, wenn die Aufnahmen nicht so werden, wie du sie dir vorstellst.”
"Ich werde nicht meckern. Ich verspreche es.” Er küsste Waltraude auf den Mund. "Ich werde nie mit dir meckern”, sagte er sanft. "Ich werde immer mit allem, was du tust, einverstanden sein, und weißt du, warum?”
"Nein. Warum?”
Er küsste sie wieder. "Weil ich dich ganz irrsinnig liebe”, sagte er unendlich zärtlich. "Darf ich dir etwas gestehen?"
"Was denn?"
"Heute Morgen..."
"Ja?"
"Heute Morgen bin ich mit einer Wahnsinnslatte aufgewacht, und ich habe so intensiv an dich gedacht, dass mir..." Er presste verlegen die Lippen zusammen.
"Dass dir was?"
"Dass mir einer abgegangen ist", sagte er heiser.
14
Die Tribüne war ziemlich voll. Jeder Spieler hatte Freunde, Bekannte und Verwandte mobilisiert, damit das Match vor der richtigen Kulisse ablief. Das Spielfeld war noch leer. Erwartungsvolle Spannung erfüllte die Sporthalle. Waltraude hielt Adalberts kleine, handliche Videokamera, ein japanisches Produkt, bereit. Der Platz links neben ihr war frei. An ihrer rechten Seite saß Arnulf Ransmaier, ein Freund von Adalbert. Blass, schmal, rotblond, mit Brille. Er hätte eigentlich mitspielen sollen - im Tor -, war aber gesundheitlich nicht ganz auf der Höhe. Angeblich war er kein schlechter Tormann, obwohl sich Waltraude das nur sehr schwer vorstellen konnte. Brach er nicht in der Mitte auseinander, wenn ein scharfer Schuss ihn traf? Arnulf erklärte ihr die Handhabung der Videokamera besser, als Adalbert es getan hatte. Er kannte sich mit allen elektronischen Geräten sehr gut aus.
"Sein Haus ist vollgestopft mit Elektronik”, hatte Adalbert erst vor wenigen Minuten zu Waltraude gesagt. "Es gibt nichts, was er nicht besitzt. Das Beste ist für ihn gerade gut genug. Sündteure HiFi-Anlage, Sensorround-TV, Musikberieselung in allen Räumen, auch im Bad. Er hat einfach alles. Nur eines hat er nicht: eine Freundin. Im Ernst. Der arme Kerl war noch nie mit einem Mädchen zusammen. Er muss es sich immer selber machen.”
"Wieso findet er kein Mädchen?” hatte Waltraude mit einem heimlichen Blick auf Arnulf Ransmaier, der in der Nähe gestanden hatte, gefragt. Ein Adonis war der junge Mann zwar nicht gerade, aber man konnte auch nicht behaupten, dass er hässlich war. Er war unscheinbar. Ja, unscheinbar, das war das richtige Wort.
"Er greift immer nach den Sternen - und ist enttäuscht und deprimiert, wenn er sie nicht erreicht”, hatte Adalbert gesagt.
"Was ist er von Beruf?”
"Bankangestellter”, hatte Adalbert geantwortet.
"Wie kann er sich mit dem Gehalt eines Bankangestellten ein Haus und all die teure Unterhaltungselektronik leisten?” hatte Waltraude verwundert gefragt.
"Er wird von seinen Eltern gesponsert. Eigentlich sind es seine Großeltern. Aber er sagt Mutter und Vater zu ihnen.”
"Und was ist mit seinen richtigen Eltern?”
Adalbert hatte mit den Schultern gezuckt. "Über die hat er noch nie gesprochen.”
"Vielleicht leben sie nicht mehr.”
"Doch, sie leben”, hatte Adalbert bestimmt erwidert, "aber das ist das einzige, was ich definitiv über sie weiß.”
Und nun saß Arnulf Ransmaier neben Waltraude und sprach über automatischen Weißabgleich, Zoom, Datumseinblendung, Autofocus, Review, Fader, Lux und dergleichen mehr, als hätte
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