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Wintermaerchen

Wintermaerchen

Titel: Wintermaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Helprin
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Es dauerte volle drei Stunden, bis die ganze Bande endlich in der Sickerkammer versammelt war. Die Männer standen eng zusammengedrängt und spitzten furchtsam die Ohren in Richtung Jerome Park. Kaum wagten sie zu atmen. Pearly hingegen ging im flackernden Schein von einem Dutzend Kerzen in der Mitte des Raumes auf und ab und ließ seinen Blick über die Versammlung schweifen. Da waren sie alle, die Einbrecher mit ihren schwarzen Gesichtsmasken, die flinken Woola-Boys mit ihren starken, federnden Beinen, die Gauner und Betrüger mit ihren Maßanzügen, die Taschendiebe, die käuflichen Killer und sogar der Küchenchef, der sich bei seiner Arbeit nur wohlfühlte, wenn er mit geklauten Zutaten kochen konnte.
    Nach einer Weile blieb Pearly stehen. »Höre ich da nicht das Rauschen von Wasser?«, fragte er und neigte den Kopf ein wenig zur Seite. Einhundert Gesichter wurden kreidebleich. »Wir haben drei Stunden gebraucht, um hierherzukommen«, fuhr Pearly fort. »Genauso lange wird es dauern, bis wir wieder draußen sind.« Ein leises Raunen ging durch die Versammlung. Es klang wie die Seufzer armer Seelen, die zu Höllenqualen verdammt sind. »Ich dachte schon, ich hätte etwas gehört, aber es war wohl eine Täuschung. Möchte jemand von euch vielleicht … ein Glas Wasser?« Lautes Stöhnen. »Gut, kommen wir zur Sache«, sagte Pearly und begann wieder, steifbeinig vor den Männern auf und ab zu stolzieren. »Stellt euch bitte vor, ihr wäret nicht in diesem muffigen und feuchten Verlies, sondern in einem Saal aus Gold. Die Wände bestehen aus lauter Goldbarren, die feingeprägte Embleme wie Adler, Kronen oder Lilien tragen. Seht ihr, mein Plan ist folgender: Ich will hoch über den Dächern der Stadt einen goldenen Saal bauen und Wachtposten davor aufstellen. Sie sollen den Himmel beobachten. Sobald er sich golden färbt, wird der Saal geöffnet, damit das Licht hineinströmt. Dann lasse ich die Türen versiegeln, sodass der goldene Glanz für immer gefangen ist.«
    Die Ganoven sperrten vor Staunen den Mund auf.
    »Der Raum wird auch für euch da sein, für euch alle!«, redete Pearly weiter. »Ihr könnt kommen, in dem herrlichen Licht baden und mit der Hand über die glatten Wände streichen.«
    Pearly schwelgte in seiner Sehnsucht. Träumerisch verlor sich sein Blick in der Höhe. »In die Mitte des Raumes werde ich ein schlichtes Bett stellen lassen. Darin will ich ruhen, auf alle Zeiten vom warmen Glanz des Goldes umgeben.«
    Für kurze Zeit vergaßen die Männer, wo sie sich befanden. Sie überschütteten ihren Anführer mit Fragen. Seine Antworten überzeugten die ärgsten Zweifler vollends davon, dass er endgültig den Verstand verloren hatte. Niemand konnte einen Goldfrachter ausrauben!
    Doch Pearly konterte mit einem detaillierten Plan: Auf der Landzunge von Sandy Hook sollte ein Wächter postiert und von einem eigens für diesen Zweck gebauten Turm herab Tag und Nacht das Meer beobachten. Ein zweiter Posten würde von der Brooklyn Bridge herab den Aussichtsturm im Auge behalten. Alle anderen Mitglieder der Bande müssten ihre Aktivitäten um rund zwei Drittel verringern, damit immer die Hälfte der Truppe, also fünfzig Mann, in voller Einsatzbereitschaft sein konnte. Sie mussten jederzeit in der Lage sein, in voller Bewaffnung mit zehn flinken Segelbooten in den Hafen auszuschwärmen. Sobald der Posten in Sandy Hook das Schiff gesichtet hätte, würde er eine Leuchtkugel abschießen. Daraufhin würde der Mann auf der Brücke telefonisch die Short Tails alarmieren, die mit ihren Booten an den Docks von Korlaer’s Hook warteten. Augenblicklich würden sie in den Hafen hinaussegeln, in der Nähe der Einfahrt je eine Boje aussetzen und zwischen ihnen hin- und herkreuzen, sodass der Goldtransporter beim Einlaufen auf jeden Fall ihren Kurs schneiden müsste. Übrigens wären alle Short Tails als Frauen verkleidet. Sie hätten dafür zu sorgen, dass sämtliche Boote ihrer fingierten Regatta von dem Goldschiff gerammt und versenkt würden. Dazu wäre ein genau berechnetes Manöver erforderlich, ganz zu schweigen vom geduldigen, wochenlangen Warten in Frauenkleidung unter den Landungsbrücken. Aber die Sache würde sich lohnen, denn welcher Kapitän wäre so kaltherzig, fünfzig segelbegeisterte junge Damen im Hafenbecken ersaufen zu lassen? Zweifellos würden sie aus dem Wasser gefischt und an Bord des Schiffes gebracht. Dort könnten sie dann unter ihren Frauenkleidern jenes furchteinflößende Waffenarsenal

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