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Wintermaerchen

Wintermaerchen

Titel: Wintermaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Helprin
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viel Zeit und ohne viel Hoffnung suchte er gierig nach etwas, dem Peter Lake in seinem Leben niemals hatte aus dem Weg gehen können. Er war bereit, alles zu riskieren.
    Sein erster Impuls war, einen Kampf zu provozieren. Gelegenheit dafür gab es genug, denn in den Straßen wimmelte es von bewaffneten Desperados, die von Kindesbeinen an geraubt und gemordet hatten. Dass diese Leute vor nichts zurückschreckten und Gewalt suchten wie Bienen den Nektar, kümmerte ihn nicht.
    »Was hast du hier zu suchen?«, fragten ihn zwei Männer, die ihm zu vorgerückter Stunde auf der Eighty-Seventh Street den Weg versperrten.
    »Wie bitte?«, fragte Hardesty mit einem Lächeln zurück, aus dem sie den Wunsch, ungeschoren davonzukommen, herauslasen, das in Wirklichkeit aber Vorfreude ausdrückte.
    »Ich meine: Was hast du hier in dieser Gegend verloren? Los, raus mit der Sprache!«, sagte der eine und trat drohend einen Schritt näher.
    »Ich wohne hier«, antwortete Hardesty seelenruhig.
    »Wo denn?«, schrien die beiden fast gleichzeitig, um ihn einzuschüchtern.
    »In der Vierundachtzigsten!«
    »Die gehört nicht zu diesem Viertel, Mann!«, brüllte ihn der Größere der beiden an und zeigte mit dem Finger auf den Boden. »Ich habe dich gefragt, was du hier verloren hast!«
    »Denken ist wohl nicht gerade eure Stärke, oder?«, fragte Hardesty, ohne eine Antwort zu erwarten. Die Männer waren sprachlos. »Ich sag’s euch auch warum: Ihr habt nämlich Spatzenhirne. Aber da ich nun mal eine Schwäche für Spatzenhirne habe, werde ich euch genau sagen, was ich hier suche. Ich bin hier, um ein Spielchen zu machen. Ich hab’ mir zu Hause ein bisschen Bargeld geholt, welches sich jetzt in meiner linken Jackentasche befindet. Es ist immerhin so viel, dass ich es in einen großen Umschlag stecken musste, weil es nicht in meine Brieftasche gepasst hat. Aber damit ihr beiden Spatzenhirne auch wirklich kapiert, was ich meine: Ich rede von Geld, genauer gesagt von dreißigtausend Dollar. Weitere fünf- oder zehntausend habe ich in meiner Brieftasche.« Tatsächlich hatte Hardesty nicht einmal acht Dollar dabei.
    Er rührte sich nicht vom Fleck. Seine Angreifer blinzelten und begannen zurückzuweichen. »Lass uns bloß in Ruhe!«, sagten sie, aber Hardesty kam ihnen nach, und vor Kampfeslust verengten sich seine Augen zu Schlitzen.
    »Was ist los? Wollt ihr mich nicht ausrauben? Habt ihr etwa Angst?«, schrie er. Sie fingen an zu rennen, und Hardesty lief ihnen nach. Er jagte sie über zehn Straßenkreuzungen und brüllte dabei aus Leibeskräften. Als sie schließlich über die Umfassungsmauer des Parks kletterten, setzte er ihnen nach und verfolgte sie über den mondbeschienenen Schnee.
    Die Schweißperlen auf ihren Gesichtern schimmerten wie winzige Monde. Sie drehten sich um und feuerten mit ihren Pistolen auf ihn, aber das ließ ihn nur noch schneller rennen, und er schrie noch immer. Da ließen sie ihre Pistolen fallen und liefen um ihr Leben. Schließlich gelang es ihnen, im dichten Gestrüpp unterzutauchen.
    Hardesty verließ den Park und machte sich auf den Weg zur West Side. Es war ein Uhr morgens, und die Stadt begann gerade zu erwachen. Ihm schwebte vor, die Gegend um den Broadway abzuklappern.
    Seine erste Station war ein Pool-Billard-Salon in einer der Achtziger-Straßen. Jede Geste und jede Bewegung der dort Anwesenden war so berechnet, dass sie den Eindruck jener für das Billardspiel unerlässlichen Geschmeidigkeit und Sicherheit vermittelten. Zweck der Übung war, andere glauben zu machen, man sei ein hervorragender Poolspieler, der sich dies jedoch nicht anmerken lassen wollte. Die wirklichen Profis brauchten solche Posen allerdings nicht, denn die, denen sie das Geld aus der Tasche zogen, waren zu sehr mit der Pflege ihres eigenen Images beschäftigt. Sie nahmen nichts anderes mehr wahr und konnten natürlich auch nicht gut Pool-Billard spielen. Für jeden Spieler war es ein Muss, auf irgendetwas herumzukauen – auf einer Zigarre, Zigarette, Pfeife oder einem Zahnstocher, als ergänzten diese Dinge das Queue wie ein Dolch das Schwert. Entsprechend geometrisch waren auch die einstudierten Bewegungen der Spieler, die, aufs Sorgfältigste Winkel und Stoßkraft kalkulierend, die Tische umkreisten.
    Hardesty, der den Salon mit nicht viel mehr als einem wildentschlossenen Gesichtsausdruck betrat, zog seine Jacke aus, zahlte fünf Dollar Eintritt und erkundigte sich nach dem besten Spieler. Alle Anwesenden verstummten in

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