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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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ich hasse diese Welt, die wir geschaffen haben.« Heather hatte ihn noch nie zuvor wütend gesehen. »Als ich ein Kind war, haben die Leute sich noch nicht jeden Tag auf der Straße niedergeschossen. Wir hatten Respekt vor der Polizei, haben gewußt, daß sie zwischen uns und den Barbaren stand. Wann hat das alles sich geändert?«
    Weder Heather noch Procnow hatten darauf eine Antwort.
    »Ich habe mich nur mal kurz umgedreht, und jetzt lebe ich in einer Kloake, einem Irrenhaus. Die Welt wimmelt von Menschen, die vor nichts und niemandem mehr Respekt haben, aber wir sollen sie respektieren, sollen Mitleid für die Mörder haben, weil das Leben ihnen so übel mitgespielt hat.«
    Er seufzte erneut und schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid. Ich arbeite einen Tag im Monat unentgeltlich auf der Kinderstation, und heute wurden zwei kleine Kinder eingeliefert, die in einen Bandenkrieg gerieten - das eine ist drei, das andere sechs Jahre alt. Babys, um Gottes willen. Und dann Jack.«
    »Ich weiß nicht, ob Sie schon die neuesten Ergebnisse der Ermittlungen erfahren haben«, sagte Emil Procnow, »aber der Mann, der heute morgen auf der Tankstelle um sich geschossen hat, hatte Kokain und PCP in den Taschen. Wenn er beide Drogen gleichzeitig genommen hat...na ja, das ist schon eine verdammte Mixtur.«
    »Wie kann man sich nur das eigene Gehirn auspusten, um Gottes willen?« sagte Delaney angewidert.
    Heather wußte, daß sie ehrliche Frustration und Wut empfanden, vermutete aber auch, daß sie die schlechte Nachricht hinauszögern wollten. »Er ist ohne Gehirnschaden aufgewacht«, sagte sie zu dem Chirurgen. »Sie haben sich darüber Sorgen gemacht, aber er hat es überstanden.«
    »Er hat das Sprachvermögen nicht verloren«, sagte Procnow. »Er kann sprechen, lesen, buchstabieren und einfache Kopfrechenaufgaben ausführen. Seine geistigen Fähigkeiten scheinen intakt zu sein.«
    »Was bedeutet, daß es wahrscheinlich auch keine zerebral bedingten körperlichen Beeinträchtigungen geben wird«, sagte Walter Delaney, »aber es wird noch einen oder zwei Tage dauern, bevor wir in dieser Hinsicht ganz sicher sein können.«
    Emil Procnow fuhr mit einer schlanken Hand durch sein lockiges schwarzes Haar. »Er hat es wirklich sehr gut überstanden, Mrs. McGarvey. Wirklich.«
    »Aber!« sagte sie.
    Die Ärzte sahen sich an.
    »Im Augenblick«, sagte Delaney, »hat er Lähmungserscheinungen in beiden Beinen.«
    »Von der Hüfte abwärts«, sagte Procnow.
    »Und der Oberkörper?«
    »Der ist in Ordnung«, versicherte Delaney ihr. »Voll funktionsfähig.«
    »Morgen früh«, sagte Procnow, »suchen wir noch einmal nach einer Fraktur des Rückgrats. Falls wir sie finden, fertigen wir ein Gipsbett an, legen es mit Filz aus, machen Jack von den Schultern bis zu den Oberschenkeln unbeweglich und legen seine Beine in eine Extension.«
    »Aber wird er wieder laufen können?«
    »Mit fast hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit.«
    Sie sah von Procnow zu Delaney und wieder zu Procnow, wartete auf den Rest, und sagte dann, als er nicht kam: »Das ist alles?«
    Die Ärzte wechselten wieder einen Blick.
    »Heather«, sagte Delaney, »ich weiß nicht, ob Sie begreifen, was auf Jack und Sie zukommt.«
    »Sagen Sie es mir.«
    »Er wird drei bis vier Monate lang in einem Körpergips liegen. Wenn der Gips herunterkommt, wird er von der Hüfte abwärts einen schweren Muskelschwund haben. Er wird nicht mehr kräftig genug sein, um noch gehen zu können. Sein Körper wird sogar vergessen haben, wie man geht, und er wird sich einer wochenlangen physikalischen Therapie in einer Reha-Klinik unterziehen müssen. Es wird frustrierender und schmerzhafter werden, als die meisten Menschen es sich vorstellen können.«
    »Das ist alles?« fragte sie.
    »Das ist mehr als genug«, sagte Procnow.
    »Aber es hätte viel schlimmer kommen können«, erinnerte sie die beiden Männer. Als sie wieder mit Jack allein war, klappte sie das Bettgeländer an der Seite herunter und strich ihm das feuchte Haar aus der Stirn.
    »Du siehst wunderschön aus«, sagte er. Seine Stimme war noch immer schwach und leise.
    »Lügner.«
    »Wunderschön.«
    »Ich sehe fürchterlich aus.«
    Er lächelte. »Bevor ich das Bewußtsein verlor, habe ich mich gefragt, ob ich dich je wiedersehen würde.«
    »So leicht wirst du mich nicht los.«
    »Dazu müßte ich schon sterben, was?«
    »Selbst das würde nicht klappen. Ich würde dich finden, ganz gleich, wo du bist.«
    »Ich liebe dich,

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