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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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beiden Reihen geparkter Autos die Betonrampe hinaufgingen.
    »Kannst du nicht mehr. Die verdammten Politiker haben sie verboten. Wir wollen doch nicht, daß ein armer, fehlgeleiteter Vergewaltiger einen Hautausschlag kriegt, oder? Frag Jack oder einen seiner Kollegen - sie können dir noch eine besorgen.«
    Gina fuhr einen billigen blauen Kleinwagen von Ford, der aber mit einer Alarmanlage ausgestattet war, die sie mit einer Fernsteuerung an ihrem Schlüsselbund ausschaltete. Die Scheinwerfer gingen an, der Alarm piepste einmal auf, und die Türen öffneten sich. Sie sahen sich noch einmal nach den undurchdringlichen Schatten um, stiegen ein und verschlossen die Türen wieder. Nachdem Gina den Wagen angelassen hatte, zögerte sie noch einen Augenblick, bevor sie den Gang einlegte. »Weißt du, Heth, wenn du dich an meiner Schulter ausweinen willst, meine Klamotten sind bügelfrei.«
    »Es geht mir schon wieder ganz gut. Wirklich.«
    »Bist du sicher, daß du dir nichts vormachst?«
    »Er lebt, Gina. Mit allem anderen werde ich fertig.«
    »Jack vierzig Jahre in einem Rollstuhl?«
    »Falls es wirklich dazu kommen sollte, stehe ich auch das durch, solange ich mit ihm sprechen und ihn des Nachts umarmen kann.«
    Gina sah sie lange Sekunden an. Dann: »Du meinst es ernst. Du weißt, wie es sein wird, aber du meinst es trotzdem ernst. Gut. Ich habe dich immer dafür gehalten, aber es freut mich, daß ich recht gehabt habe.«
    »Wofür hast du mich gehalten?«
    Gina löste die Handbremse und legte den Rückwärtsgang ein. »Für ein verdammt zähes Miststück«, sagte sie. Heather lachte. »Ich nehme an, das ist ein Kompliment.«
    »Da kannst du Gift drauf nehmen, es ist eins.«
    Als Gina am Ausgang die Gebühren bezahlte und aus dem Parkhaus fuhr, färbte ein prachtvoller Sonnenuntergang die Wolkenstreifen im Westen golden und orange. Doch als sie durch immer länger werdende Schatten und eine Dämmerung fuhren, die sich allmählich mit blutrotem Licht füllte, kamen Heather McGarvey die vertrauten Straßen und Gebäude so fremd vor, als befände sie sich auf einem anderen Planeten. Sie hatte ihr gesamtes Leben als Erwachsene in Los Angeles verbracht, kam sich jedoch vor wie eine Fremde in einem fremden Land. Das zweistöckige, im spanischen Stil errichtete Haus der Brysons lag im Tal, am Rand von Burbank, mit der Glückszahl Siebenhundertsiebenundsiebzig als Hausnummer an einer von Platanen gesäumten Straße. Die blattlosen Zweige der großen Bäume hoben sich als dornige, arachnoide Muster vor dem trüben, gelbschwarzen Nachthimmel ab, der mit zu viel Licht von der großstädtischen Umgebung erfüllt war, um jemals wirklich schwarz zu sein. Mehrere Autos standen auf der Einfahrt und am Bürgersteig des Hauses Siebenhundertsiebenundsiebzig, darunter auch ein Streifenwagen. Im Haus drängten sich Verwandte und Freunde der Brysons, darunter viele Cops in Uniform oder Zivil.
    Schwarze, Latinos, Weiße und Asiaten waren zusammengekommen, um Trost und Unterstützung anzubieten, wie es in größeren Gemeinschaften anscheinend nur noch sehr selten möglich war. Heather fühlte sich in dem Augenblick zu Hause, da sie die Schwelle überschritt, und um vieles sicherer als in der Welt draußen. Auf der Suche nach Alma durchschritt sie das Wohn- und Eßzimmer, unterhielt sich kurz mit alten Freunden - und stellte fest, daß sich die Nachricht über die Besserung von Jacks Zustand bereits herumgesprochen hatte. In diesen Augenblicken wurde ihr deutlich bewußt, daß sie sich schon lange eher für einen Teil der großen Polizeifamilie hielt als für eine Bewohnerin von Los Angeles oder Kalifornien. So war es nicht immer gewesen. Aber es war schwierig, einer Stadt die geistige Treue zu halten, die von Drogen und Pornographie überschwemmt, von Bandengewalttätigkeiten verwüstet, von dem für Hollywood typischen Zynismus durchdrungen und von Politikern beherrscht wurde, die genauso korrupt und demagogisch wie unfähig waren. Destruktive soziale Kräfte spalteten die Stadt - und das Land - in Sippen, und obwohl die Polizeifamilie ihr Trost spendete, erkannte sie die Gefahr, sich auf eine Wir-gegen-sie-Sicht des Lebens hinabzulassen. Alma war mit ihrer Schwester Faye und zwei anderen Frauen in der Küche, und alle waren mit kulinarischen Aufgaben beschäftigt. Sie zerhackten Gemüse, schälten Obst und rieben Käse. Alma rollte auf einer Marmorplatte einen Kuchenteig aus und schien alles um sich herum vergessen zu haben. Die Küche war

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