Wintermond (German Edition)
Alex schließlich nach, denn er hatte keine andere Wahl.
Er würde später noch einmal mit den Typen, denen er Geld schuldete, reden müssen. Vielleicht würden sie ihn die Summe ja in kleinen Raten abstottern lassen. Alex wusste zwar, dass das sehr unwahrscheinlich war, aber einen Versuch war es wert.
„Dann haben wir das ja geklärt“, sagte Jo. „Du wirst Ben assistieren.“
„Bitte was?“, Alex Stimme klang höher als üblich.
Sein Vater konnte nicht ernsthaft von ihm verlangen, irgendeinem daher gelaufenen Praktikanten zu helfen. Er studierte selbst und war älter als Ben. Er hätte zumindest eine herausfordernde Aufgabe von seinem Vater erwartet.
„Nimm das Angebot an oder lass es bleiben!“, riss Jo ihn aus den Gedanken.
Alex war wütend. In seinem Kopf formulierten sich die verschiedensten Vorwürfe an seinen Vater, doch brachte er nicht einen davon hervor. Jo behandelte ihn wie eine unnütze Arbeitskraft, nicht wie seinen Sohn. Er hasste ihn dafür.
Aufgebracht und mit vor Wut zu Fäusten geballten Händen verließ er das Zimmer wieder. Im Flur begegnete er Ben, der vermutlich gerade vom Laufen zurückgekehrt war. Alex rempelte ihn absichtlich an, als ob genau dieser für die ganze Situation verantwortlich wäre. Zu seiner Verwunderung reagierte Ben nicht einmal.
Alex fluchte innerlich und kehrte schließlich schon zum zweiten Mal an diesem Tag in sein Zimmer zurück. Er musste erst einmal das Chaos dort beseitigen und vor allem brauchte er eines: Zeit zum Nachdenken.
Kapitel 3
Seufzend blickte Ben Alex hinterher und fasste sich dabei an die Schulter, gegen die der Blonde soeben gerempelt war. Es war offensichtlich, dass Jos Sohn ihn nicht leiden konnte. Ben wusste nicht, was er falsch gemacht hatte, denn eigentlich müsste er sauer auf Alex sein. Dieser war es schließlich, der ihn bei ihrer ersten Begegnung dumm angemacht und grob gegen seinen Wagen gedrückt hatte, um ihm daraufhin nicht einmal eine Erklärung für sein Verhalten zu liefern, ihn stattdessen in der eiskalten Nacht vor der Tür stehen zu lassen.
Ben zog sich die beige Mütze vom Kopf und befreite sich aus dem braun-weiß gestreiften Schal. Zusammen mit seinen schwarzen Handschuhen legte er die Sachen auf einer dunklen Kommode ab. Er fuhr sich durch seine kurzen Haare. Trotz der Kälte draußen war ihm durch das Joggen sehr warm geworden. Sine Turnschuhe schob er behutsam unter die Garderobe, die sich gleich neben der Kommode befand. Ben blickte sich um. Er wusste jetzt, wohin jede einzelne Tür aus dem Flur führte: eine in das Wohn- und Esszimmer, eine in Jos Arbeitszimmer, eine in eines der beiden Badezimmer (das andere befand sich auf der zweiten Etage) und eine in den Wintergarten, von dem aus man sowohl Zugang zum Garten als auch zum innen gelegenen Pool hatte.
An das große Haus und die vielen Räumlichkeiten musste er sich noch gewöhnen, aber beschweren konnte er sich keineswegs. Er fühlte sich bei Jo Tannenberger gut aufgehoben und hoffte inständig, dass auch sein Verhältnis zu dessen Sohn sich künftig bessern würde.
Mit seiner warmen Hand fuhr er sich über den unterm Schal schwitzig gewordenen Hals und entschied daraufhin, erst einmal duschen zu gehen. Also machte er sich auf in das zweite Stockwerk. Das tägliche Joggen gehörte für ihn seit Langem fest zum morgendlichen Ablauf. Erst danach fühlte er sich fit genug für einen guten Start in den Tag. Er liebte es, sich beim Laufen voll und ganz auf die eigenen Gedanken zu konzentrieren und dabei sogar noch etwas für seinen Körper zu tun.
Bereits auf dem Weg in sein Zimmer befreite er sich aus seinem grauen Pullover samt dem sich darunter befindendem T-Shirt. Ihm war wirklich warm. Wieder einmal vernahm er den süßlichen Vanillegeruch der Villa, der sich jedoch ein paar Schritte weiter mit herbem Parfümgeruch vermischte. Ben blieb kurz stehen und vermutete schließlich Alex’ Zimmer hinter der weiß lackierten Holztür, durch die der unbekannte Duft drang. Er verharrte nicht lange, ging weiter und verschwand in seinem Zimmer. Die Gardinen waren noch zugezogen, das Bett ungemacht. Ben zog die Vorhänge mit zwei kräftigen Rucks beiseite und riss die Fenster auf. Sofort drang frische Luft ein, die sich so kühl auf Bens freien Oberkörper legte, als ob jemand Spuren mit Eiswürfeln über seine Haut zog. Für einen kurzen Moment schloss er die Augen, atmete tief ein, bevor er sie wieder öffnete und sich in seinem Zimmer umblickte. Es herrschte
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