Wintermond
über die Augen, als könne er den Anblick seiner eigenen Skizze nicht ertragen. »Ich wollte bloß meine momentane Stimmung einfangen, ein Bild, das zeigt, wie es mir zurzeit geht. Aber das sieht eher nach Vergangenheit aus.«
»Dieses Gebäude erweckt den Eindruck, als könne es sich nicht entscheiden, ob es einfallen oder allen Widrigkeiten trotzen soll«, sagte Meta, in den Anblick der Skizze versunken.
»Ich sollte die Malerei einfach bleiben lassen«, fuhr David eine Spur zu hitzig fort. »Mir geht es doch gut, ich bin zufrieden - die Überlegerei, was ich malen könnte, geht mir auf die Nerven.«
»Aber diese Skizze hier ist doch nicht das Ergebnis von deiner Grübelei, oder?«
David hielt inne und warf einen flüchtigen Blick auf das gebrechliche Gebäude.Tatsächlich hatte er in den letzten Tagen sehr viel darüber nachgedacht, wieder mit der Malerei anzufangen. Nicht etwa, um Meta zu beeindrucken, denn er fürchtete eher, sie zu enttäuschen. Aber der Gedanke daran, wie gut es ihm früher getan hatte, sich einfach aufs Malen zu konzentrieren und Convinius’ Forderungen und das ewige Drängeln des Wolfes auszublenden, hatte ihn nie losgelassen. Die Malerei war eine Heimat gewesen, die nur ihm allein gehörte. Auch wenn er sie heute nicht mehr zur Abgrenzung brauchte, so verspürte er dennoch den Wunsch, sich auszudrücken. Zwar waren ihm die unterschiedlichsten Themen eingefallen, aber keine Idee hatte sich derart verfestigt, dass er sie tatsächlich umgesetzt hätte.
Diese seltsame Skizze war einfach von selbst entstanden, und je länger David sie betrachtete, desto unwohler fühlte er sich. Er hatte einen Verdacht, aus welcher Quelle das Motiv gespeist wurde, wollte jedoch nicht weiter darüber nachdenken. Sein neues Leben war noch viel zu zerbrechlich, um es einer Belastungsprobe zu unterwerfen. Je weniger er sich mit seiner Vergangenheit auseinandersetzte, umso geringer war das Risiko, dass ihm die Gegenwart zwischen den Fingern zerrann. Zumindest redete David sich das ein, jeden Gedanken an einen verwaisten Jannik oder die brisante Situation, in der Maggie und ihr Rudel sich befanden, verdrängend. Ganz gleich, was sein Gewissen ihm einflüstern wollte, er hatte sich die Phase des Glücks verdient!
Obwohl Meta aufmurrte, ließ David die Skizze samt Katalog hinter der Sofalehne verschwinden, dann zog er Meta auf sich. Nach einer kleinen Rangelei richtete sie sich mit gespieltem Widerwillen auf, so dass sie auf seiner Hüfte zum Sitzen kam. Während David sich eine Hand unter den Kopf schob und sich entspannte, zeichnete sie Kreise auf seine Brust.
»Wie war dein Tag?«, fragte er.
Meta malte noch ein paar Achten auf Davids Rippenbögen, doch als er sich als kitzelresistent erwies, zuckte sie mit den Schultern. »Wenn man es so sehen will, war der Höhepunkt des Tages ein Anruf von meiner Mutter. Offensichtlich ist ihr Karl begegnet.«
Hastig warf Meta David einen prüfenden Blick zu, doch er verzog keine Miene. Sie hatte ihm äußerst knapp von ihrer letzten Beziehung erzählt und dass ihr Ex davon ausging, sie würde über kurz oder lang zu ihm zurückkehren. David hatte das Ganze mit einem Achselzucken abgetan, trotzdem hatte Meta den Verdacht, er befürchtete insgeheim, Karl könnte Recht behalten. Ihre Worte gründlich abwägend, fuhr sie deshalb fort: »Da meine Mutter das Thema in Gegenwart meines Vaters nicht anschneiden möchte, hat sie mich angerufen - während der Arbeitszeit! Das macht sie sonst nie. Elise hat auf sehr komplizierte Weise zu erfahren versucht, ob die Renovierung der Wohnung mittlerweile abgeschlossen sei und ob ich die Nase nun endlich voll von Neuerungen hätte.«
»So lautet also die elegante Umschreibung für Sex mit einem nichtsnutzigen Kerl, der sich bei dir eingenistet hat.« David lachte verhalten. »Und, hast du schon die Nase voll?«
Als Meta nicht sofort verneinte, hob er mit einem Ruck die Hüfte an und senkte sie so rasch wieder, dass sie fast das Gleichgewicht verloren hätte. Da sie Anstalten machte, mit eingeschnappter Miene von ihm runterzusteigen, packte er sie um die Taille und hielt sie fest.
Einen Moment lang wand Meta sich noch in seinem Griff, dann streckte sie sich würdevoll und strich die Haare hinter die Ohren zurück. »Ich habe meiner Mutter ausgesucht höflich geantwortet, dass der anhaltende Reiz des Neuen darin liegt, wie überraschend ausdauernd er ist, und ich deshalb keinerlei Veranlassung sehe, wieder in alte Muster zu
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