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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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die Straße.
    In der Nacht hatte der erste Frost des Jahres alles mit einem milchigen Film überzogen, von dem jetzt immer noch einige Spuren zu sehen waren. Meta kam es so vor, als hätte etwas die Stadt berührt, sie mit kleinen Leerstellen belegt und den Klang der Geräusche verändert. Sie genoss das brennende Gefühl der Kälte, als sie tief einatmete, und spielte kurz mit dem Gedanken, die paar Straßen zu dem Café, in dem sie mit Emma verabredet war, zu laufen. Doch automatisch stellte sich jene antrainierte Beklemmung ein, und sie entschied, dass es einfach nicht der richtige Zeitpunkt war, um mit noch mehr Altbewährtem zu brechen. Mit geübter Geste winkte sie sich ein Taxi herbei.
    Zu ihrer Überraschung saß Emma bereits im Café und kippelte auf ihrem Hocker vor dem hohen Bistrotisch. Als wäre es nicht schon ungewöhnlich genug gewesen, dass ihre Schwester sie zum Frühstück eingeladen hatte. Die Begrüßung bestand in zwei rasant ausgetauschten Küssen auf die Wangen, und Meta bereute bereits, gekommen zu sein.Jedes Mal, wenn sie mit dieser jungen Frau beisammensaß, stellte sich über kurz oder lang das Gefühl ein, eine grauenhaft langweilige  Person zu sein. Und das, obwohl Emma sich selbst so gut wie nie dazu herabließ, etwas zur Unterhaltung beizutragen.
    »Siehst gut aus«, eröffnete Emma das Gespräch, und Meta rechnete schon mit einem folgenden bissigen Kommentar, der jedoch ausblieb.
    »Danke, du auch«, erwiderte sie deshalb ein wenig lahm. Dann erst bemerkte sie die schwarzen Mascarareste, die unter Emmas Augen klebten. Ihre Schwester sah aus, als wäre sie direkt aus einem Clubbesuch auf diesen Hocker gekippt. »Was hast du denn letzte Nacht getrieben?«
    Emma legte den Kopf in den Nacken, als müsse sie sich beim Nachdenken ernsthaft anstrengen. Schließlich senkte sie das Kinn mit einem Ruck auf die Brust und sagte: »Ich wette, bei dir war es spannender.«
    Von daher wehte also der Wind. Meta nuschelte etwas Unverständliches und blickte sich ausweichend in dem belebten Café um. Im Hintergrund plätscherte französische Popmusik, gepaart mit den Küchengeräuschen und dem Geschrei des Kochs. Die Wand hinter der Bar war mit einem Mosaik aus orangefarbenen und grünen Steinchen beklebt, von dem Meta nicht genau wusste, ob es ihr gefiel oder ob sie es scheußlich fand. Sie saßen neben dem Fenster, und sie stellte überrascht fest, dass sich ein feiner Dunst über die Stadt gelegt hatte und das Licht blau färbte. Doch bald würde die Sonne hervortreten und die letzte Ahnung der Frostnacht verbannen.
    »Komm schon, Meta, lass dich nicht lange bitten. Ich platze vor Neugier, was dein Liebesleben betrifft. Was glaubst du wohl, was mich dazu angetrieben hat, mir heute Morgen nicht einfach die Decke über den Kopf zu ziehen, sondern hierherzukommen?« Emma lehnte sich über den Tisch und blickte sie tatsächlich flehentlich an. Ihre Schwester musste ernsthaft neugierig sein, wenn sie sich zu einem solchen Schauspiel hinreißen ließ. »Von überallher nur lauter Gerüchte, und du  lässt dich nirgendwo mit diesem Kerl blicken, von dem Rinzo ganz genau weiß, dass er bei dir wohnt. Das würde man dir anmerken, sagt er. Du wärst wie ausgewechselt. Und ich möchte gern wissen, was dieser David mit dir anstellt, dass du plötzlich so vollkommen anders tickst.«
    So viele Worte an einem Stück hatte Emma in Metas Gegenwart noch nie gesprochen. Auch Emma schien sich dieses Umstands bewusst zu sein, denn sie lehnte sich wieder zurück und betrachtete eingehend ihre Fingernägel, um den peinlichen Moment des Schweigens zu überspielen. Zu ihrer beider Erlösung trat der Kellner an den Tisch und bat um die Bestellung. Seine Stimme war sehr weich, fast zu angenehm für eine Männerstimme. Als die beiden Schwestern Milchkaffee und Brioche orderten, verstand er nur die Hälfte des Gesagten und hakte im höflichsten Ton immer wieder nach. Meta war froh über jede gewonnene Sekunde.
    Nachdem der Kellner gegangen war, hatte sie den Ausbruch ihrer Schwester verwunden und war bereit, sich Emma zu stellen: »David geht dich nichts an«, erklärte sie unumwunden. »Aber wenn ich mich mit David nicht an den üblichen Orten herumtreibe, liegt das nicht daran, dass ich mich nicht mit ihm blicken lassen will. Wir unternehmen einfach nur andere Dinge.«
    Emmas anzügliches Grinsen verriet ihr, dass sie ihre Unternehmungen besser rasch ausführen sollte, bevor ein falscher Eindruck entstand.
    »David kocht

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