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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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verfallen.  Jedenfalls so lange nicht, wie mein neues Lieblingsspielzeug sich gut zu benehmen weiß.«
    David schaute sie grinsend an, eine Sekunde, noch eine Sekunde - dann riss er die schallend lachende Frau zur Seite und begrub sie unter seinem Körper.
    Als Meta einige Zeit später eng an seine Seite gekuschelt mit halb geschlossenen Augen döste, kreisten Davids Gedanken um ein Telefongespräch, das er schon seit Jahren führen wollte. Bislang hatte er sich aber nicht dazu durchringen können. Zum hundertsten Mal spielte er in Gedanken durch, wie seine Mutter wohl auf seine Stimme reagieren würde. Ob sie ihn überhaupt wiedererkannte? Oder wäre er gezwungen zu sagen, wer er war? Aber wer war er überhaupt für Rebekka? Der Sohn, den sie einem Fremden namens Convinius mitgegeben hatte, weil ihr die seltsamen Eigenarten des Jungen Angst einjagten? Oder war er das Kind, das sich nach etwas gesehnt hatte, was sie ihm nicht geben konnte - dafür aber ein Unbekannter? David hatte diesen Zwiespalt nie aufklären können, und auch heute fühlte er sich diesem Schritt noch nicht gewachsen. Hatte Rebekka ihn trotz allem geliebt? Er wusste es nicht.
    Behutsam befreite er sich aus Metas Umarmung, was diese mit einem verträumten Lächeln zuließ. Sie streichelte ihm noch einmal über den Rücken, dann kugelte sie sich unter der Wolldecke zusammen. David schlüpfte in Hosen und Pulli und griff sich auf dem Weg zum Balkon Metas Handy. Dunkelheit und Kühle begrüßten ihn, als er mit nackten Füßen auf den Steinboden des ausgedehnten Balkons trat. Einen Augenblick konnte er nicht sagen, wer die Herbstluft mehr begrüßte - er oder der Wolf, so sehr fühlte er sich mit ihm eins. Im Hinterkopf dröhnte Convinius’ anklagende Stimme, dass er dem Dämon nicht über den Weg trauen durfte. Aber er wollte sich darauf nicht einlassen.
    Auf dem Balkon waren weder Blumentöpfe noch ein Gartenstuhl zu finden. Laut Meta pfiff der Wind so unangenehm um das Haus, dass man sich ohnehin so gut wie nie nach draußen wagen konnte - wozu da eine Sitzgelegenheit? Aber David verstand auch so, dass Meta sich dem Gesetz der Stadt unterwarf und sich nicht freiwillig draußen aufhielt.
    Es dauerte eine Zeit lang, bis es ihm gelungen war, die Telefonnummer einer bestimmten Bar herauszufinden, und noch länger, bis er Janniks Stimme vom anderen Ende der Leitung her hörte, der mürrisch seinen Namen nannte.
    »Hi, wie geht es dir?«, fragte David und biss sich vor Aufregung leicht auf die Unterlippe. Obwohl er immerzu an seinen Freund hatte denken müssen, hatte er sich bisher nicht dazu durchringen können, sich mit Jannik in Verbindung zu setzen. Auch wenn das feige gewesen sein mochte, so ließ es sich einfach nicht leugnen, dass Jannik zu Hagens Rudel gehörte. Das Rudel, von dem eine Gefahr ausging, über die David lieber nicht nachdenken wollte. Ansonsten wäre er vielleicht zu dem Entschluss gekommen, dass er es Meta schuldig war, schleunigst seine Sachen zu packen und sich aus dem Staub zu machen.
    Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen, und David befürchtete schon, aus Versehen eine falsche Taste gedrückt zu haben, weil er das Handy so hart an sein Ohr presste. Doch dann hörte er Jannik schnaufen.
    »Was meinst du, wie es mir geht, seit du dich verpisst hast?«
    »Tut mir leid, aber was kann ich schon tun?«
    »Zurückkommen vielleicht?« Jannik klang nicht so, als meinte er das ernst. Aus seiner Stimme sprach eine Bitterkeit, die gar nicht zu ihm passte.
    »Hör zu, Jannik. Ich werde nicht zurückkommen. Ich habe auch schon mit Maggie darüber gesprochen …«
    »Du willst nicht zurückkommen, definitiv?«, unterbrach ihn Jannik barsch. Bevor David etwas erwidern konnte, sagte er noch: »Dann kannst du mich mal am Arsch lecken.« Und legte auf.
    Zuerst wollte David die Nummer erneut anwählen, doch mitten in der Bewegung verharrte er. Der Wolf regte sich - ein Angebot, Jannik eine Nachricht zu überbringen, die er nicht so leicht verweigern konnte wie ein Telefonat.Aber David zögerte. Er konnte seinen Freund verstehen. Er war in eine Welt aufgebrochen, in der es für Jannik keinen Platz gab, selbst wenn er in der Lage gewesen wäre, ihm über Hagens Grenzen hinaus zu folgen. Er spielte mit dem Gedanken, den Wolf aufbrechen zu lassen, verwarf ihn jedoch wieder. Es führte kein Weg zueinander - das hatte Jannik schon vor ihm begriffen. Jeder Versuch, einander trotzdem nahe sein zu wollen, würde es nur schlimmer machen.
    David

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