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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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Zartbitterschokolade hatten - bis auf einen. Auch wenn er Larissa damals bloß eine alberne Fratze gezeigt hatte, die Worte hatten sich bei ihm eingebrannt und ein Schamgefühl hinterlassen, das er nun endlich abstreifen wollte. Er würde diesen schwarzen Fleck in seinem Leben mit dem Gefühl von Geborgenheit übertünchen, das eine im Schlaf murmelnde Meta hervorrief, die sich so lange gegen seinen Rücken drängte, bis er sich umdrehte und sie in die Arme schloss.
    Ja, so würde er es machen. An die Stelle eines tobenden Convinius, der nicht aufhören konnte, sich darüber zu ereifern, dass David seinem Dämon nicht ausreichend die Stirn  bot, trat Nathanel. Unwillkürlich zuckte David zusammen. Nein, nicht Nathanel, sondern ein lachender Halberland, der ihm auf den Rücken klopfte, weil sein versauter Witz so gut gewesen war.
    Immer neue Erinnerungen tauchten auf, mit denen David sich nicht länger herumquälen wollte. Sein kaum zu bändigender Wolf, der ein Opfer ins Visier genommen hatte, das er zumindest ein wenig treiben wollte - wurde ohne Zögern gegen das wunderbare Bild eingetauscht, wenn er mit Meta in der Badwanne lag und ihre entspannten Gesichtszüge betrachtete.
    Die Vergangenheit abzustreifen, war eine wahre Befreiung, so dass David sich letztendlich auch an die schmerzlichste Erinnerung heranwagte, die ihn in seinen Alpträumen heimsuchte: die vor Panik weit aufgerissenen Augen seiner Mutter Rebekka, die auf den Wolf gerichtet waren. Er hatte die Lefzen bedrohlich hochgezogen, und durch den grauen Leib konnte man die Umrisse der Küchenzeile erahnen. An den eben noch vor Zorn fluchenden Jungen, der sich die von einer Ohrfeige gerötete Wange hielt und jetzt vor Entsetzen kaum noch atmen konnte, wollte David nie wieder denken. Für den Wolf war Rebekka in diesem Moment lediglich jemand gewesen, der auf seinen Platz verwiesen werden musste. Beute, die frech geworden war. Er hatte gar nicht vorgehabt, sie zu verletzen. Doch für Rebekka, die schon so viel wegen ihres schwierigen Sohnes hatte ertragen müssen, war eine Welt zusammengebrochen. Dass David seinen Wolf gar nicht aufgefordert hatte, sie zu attackieren, hatte sie nicht verstanden. Vermutlich war es dieser Bruch gewesen, der ihn Convinius’ Einladung, bei ihm zu leben, hatte annehmen lassen. Er hatte das leichte Zittern von Rebekkas Händen in seiner Nähe nicht länger ertragen können, die ausweichenden Blicke, die ihm sagten, dass er zu einem Fremden geworden war.  Stattdessen legte er die Erinnerung an den Moment, als Meta ihn eingeladen hatte, bei ihr zu bleiben, wie eine schützende Decke über diesen Teil seiner Vergangenheit.
    Es klappte, wenn vielleicht auch nur für eine kurze Zeit. Jeden Zweifel daran, dass sein neues Leben gefährdet sein könnte, weil sich sein Vorleben nicht einfach ausmerzen ließ, schob er beiseite. Er war ein verliebter Mann, dem sich eine wunderbare Welt auftat, so dass es ihm leichtfiel, alles Unangenehme auszublenden. Stunden voller Zweifel, Einsamkeit und Selbstverleugnung? Begraben unter Schnappschüssen aus seinem neuen Leben. So einfach ging das.
    Allein bei der Vorstellung musste David lächeln, als er aus seinen verdreckten Stiefeln schlüpfte, bevor er die Wohnungstür aufschloss. Nach wie vor fühlte er sich in dem klinisch sauberen Flur von Metas Wohnhaus wie ein Fremdkörper, aber damit konnte er mittlerweile ganz gut leben. Wie auch mit den irritierten Blicken der anderen Hausbewohner, wenn sie ihm in Arbeitskleidung oder seinen eher schlichten Alltagssachen begegneten.
    »Sind Sie mit den Arbeiten im oberen Apartment immer noch zugange?«, fragte der ältere Herr mit dem gebeugten Rücken ihn jedes Mal, wenn er David auf dem Weg zum Abendspaziergang im Foyer begegnete. Mittlerweile verkniff sich David den dezenten Hinweis, dass er kein von Meta angestellter Handwerker war - diese Information überforderte den guten Mann anscheinend. Denn ein Kerl wie er konnte unmöglich mit einem distinguierten Gentleman wie ihm unter einem Dach leben, geschweige denn an der Seite einer Frau wie Meta.
    Obwohl David schon beim Betreten der Wohnung merkte, dass Meta nicht da war, genoss er den Moment. So fühlte es sich an, nach Hause zu kommen - auch wenn es immer noch von einem seltsamen Kribbeln begleitet wurde. Eigentlich lag  der alte Herr aus der unteren Etage gar nicht so falsch: Das Apartment sah tatsächlich aus wie eine Baustelle. Nun, nicht mehr ganz so schlimm wie vor einigen Tagen, als Meta wie

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