Wintermond
Vorstellung von Ritterlichkeit«, gab sie stattdessen betont ruhig zurück. »Während du dich mit meiner Schwester und weiß der Teufel mit wie vielen anderen Frauen vergnügst, bin ich also Ausschussware, weil ich mich mit einem nicht standesgemäßen Mann eingelassen habe. Und du möchtest nun für deine unendliche Großzügigkeit, mich zurückzunehmen, belohnt werden?«
Obwohl die Kälte ihm schon die Farbe aus dem Gesicht gelöscht hatte, wurde Karl bei diesen Worten noch eine Spur blasser. »Diese völlig durchgeknallte Emma hat dir also davon erzählt?«
So unmittelbar wie ihre Wut aufgeflammt war, verlosch sie auch wieder. Meta schloss die Augen und sehnte sich einfach nur danach, sich in ihr Bett zu kuscheln, dem immer noch Davids wunderbarer Geruch anhaftete. »Du hast Recht mit dem Schlussstrich, Karl.Vergessen wir diese ganzen Geschichten. Die Sache zwischen uns beiden ist vorbei, nicht wegen Emma und auch nicht wegen David. Wir beide sind schlicht auf der Suche nach völlig verschiedenen Dingen. Lass uns das akzeptieren.«
Mit einem fassungslosen Gesichtsausdruck zog Karl sich die Mütze vom Kopf und fuhr sich mit den Handschuhen durchs Haar, bis es wirr abstand. Gegen ihren Willen spürte Meta Mitleid. Karl war es einfach nicht gewohnt, zurückgewiesen zu werden. Aus seiner Sicht hatte er ihr soeben den größten Liebesbeweis erbracht, zum dem er fähig war.
»Karl …«, setzte sie tröstend an, aber da stieß er schon ein hämisches Lachen aus.
»Das ist nichts weiter als ein schlechter Witz.« Seine schön geformten Augen erzählten von der Verletzung, die sie ihm beigebracht hatte, doch sein Mund war bereits zu einer gehässigen Linie verzogen. »Lass mich raten, woran es liegt, dass du diesen verdammten Kerl einfach nicht wieder aus deinem Kopf bekommst. Es ist sein Scheiß -«
»Hör endlich auf!«, fuhr Meta ihm ins Wort. »Ich werde jetzt gehen.«
Wütend packte Karl sie an der Schulter. Er griff so hart zu, dass sie vor Schreck aufstöhnte. Morgen würde die empfindsame Stelle zwischen Schulter und Halsbeuge bestimmt von seinen Fingerabdrücken gezeichnet sein. »Habe ich Recht?«, fragte er heiser.
Meta versuchte, ihn mit dem freien Arm fortzuschieben, Karl war jedoch viel größer und entschieden kräftiger als sie. Er zuckte nicht einmal zusammen, als sie ihm vor die Brust schlug. Seine Finger gruben sich nur tiefer durch den Stoff ihres Mantels, bis sie stöhnend ein Stück in die Knie ging. Unterdessen begann Karl, vor sich hin schimpfend, seinen Mantel zu öffnen.
»Dir hat wohl einfach nicht gereicht, was du hattest, nicht wahr, Meta? Aber ich kann dir versichern, dass du dich da getäuscht hast. Ich werde es dir beweisen.«
Doch bevor Karl tatsächlich dazu kam, sackte er plötzlich mit einem Keuchen leicht vornüber. Der Griff an Metas Schulter verlor an Kraft, und sie schüttelte ihn ab. Perplex taumelte sie einen Schritt zurück, den Blick auf Karls schmerzverzerrtes Gesicht gerichtet. Der Schnee trieb ihr in die Augen, setzte sich auf den Wimpern fest, doch sie war außerstande, ihn fortzublinzeln.
»Lass mal alles schön da, wo es ist, mein Freund.« Die Stimme klang fremd, auch das Profil des Mannes war ihr unbekannt. Unnatürlich schmal, mit einem asiatischen Einschlag, obwohl die Augen hinter dunklen Brillengläsern verborgen waren. Der Mann beachtete Meta nicht weiter, sondern packte Karl am Kragen und boxte ihm zweimal hintereinander in den Magen.
»Wir hatten lediglich eine Auseinandersetzung«, versuchte sie, ihn zu beschwichtigen, als er Karl gerade die Chance gab, sich nach den Schlägen wieder aufzurichten. »Er wird sich jetzt bestimmt zusammenreißen und mich nicht weiter verfolgen.«
Der hagere Asiate nickte, machte aber keinerlei Anstalten, von Karl abzulassen. »Da bin ich mir sicher«, sagte er. Dann schlug er Karl mit der geballten Faust ins Gesicht, woraufhin dieser endgültig in sich zusammensackte und auf dem Boden liegen blieb. »Weil du nämlich mit uns kommen wirst, Engelchen.«
Ohne den Sinn der Worte zu begreifen, machte Meta einen unbeholfenen Schritt zurück und stieß dabei gegen einen weiteren Fremden, der augenblicklich die Arme um sie schlang. Meta erstarrte, weil ihr ein beißender Geruch in die Nase drang, als habe jemand zu dicht bei einem Feuer gestanden. Widerwillig blickte sie auf und sah in ein Augenpaar, dessen Farbe ihr schmerzlich vertraut war: ein leuchtendes Blau. Doch ihrem Ausdruck wohnte etwas so furchteinflößendes
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