Wintermond
schau erstmal, was für Musik du hören möchtest. Die Schallplatten stehen da drüben. Und hier«, sie drückte Meta ein Glas mit Weißwein in die Hand, »etwas zum Anstoßen. Schließlich haben wir noch zwei Flaschen vor uns. Schön, dass du da bist.«
»Ja«, erwiderte Meta mit einem Lächeln. »Das finde ich auch schön.«
Unter Rahels Anleitung war Meta maßgeblich an der Entstehung eines Feldsalats mit Ziegenkäse, einer sensationellen Minestrone und eines Zitronensorbets beteiligt. Nachdem vom Sorbet nur noch Reste in der Schale zurückgeblieben waren und die Rotweinflasche zur Neige ging, saßen die beiden Frauen auf dem Sofa und plauderten vergnügt. Die Nadel des Plattenspielers setzte zum wiederholten Male am Anfang an, aber von Stella by Starlight bekam bekanntlich niemand genug.
Meta konnte sich nicht entsinnen, wann sie sich das letzte Mal so gelöst gefühlt hatte. Wahrscheinlich als zehnjähriges Mädchen, als sie mit ihrer Freundin Lena im Bett Kekse gegessen und über das Musical Cats philosophiert hatte, anstatt zu schlafen, wie ihre Mutter sie schon mehrmals aufgefordert hatte.Was ist eigentlich aus Lena geworden?, fragte Meta sich, während sie träge das Weinglas auf dem Oberschenkel balancierte. Rahel sprach gerade über die Ausdrucksmöglichkeiten des menschlichen Körpers in der Bildhauerei. Sie kannte sich wirklich gut aus. Ansonsten hätte es sie wohl auch kaum in eine Galerie verschlagen, bei all den komischen Gestalten, die sich dort herumtrieben.
»Mein Liebling, mein absoluter Liebling ist dieser eine nackte Kerl, du weißt schon.« Rahel deutete mit dem Weinglas auf Meta.Vor lauter Eifer schwappte ein kleiner Schwall über und landete auf ihrer Hose, was sie aber nicht sonderlich beachtete.
»Hm?«
»Na, komm schon, Mädchen. Der schönste Mann, der jemals in Marmor geschlagen worden ist. Hieß er Michelangelo? Warte mal...«
Meta verdrehte spielerisch die Augen und nippte dann an ihrem Glas. Zu ihrer eigenen Verwunderung war sie nicht annähernd so betrunken, wie sie es normalerweise nach fünf Gläsern Wein gewesen wäre. Aber für gewöhnlich war ihr Magen auch nicht so gefüllt wie an diesem Abend. Hastig verdrängte sie diesen Gedanken. »Der nackte Kerl heißt David«, sagte sie stattdessen und konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Schnell trank sie einen weiteren Schluck Wein.
»Ach ja«, sagte Rahel und kratze sich am Kopf, als falle es ihr gerade jetzt erst wieder ein. Sie war wirklich eine miserable Schauspielerin. Kein Wunder, dass sie bei ihrem heiß geliebten Laientheater tausend Aufgaben zugeschustert bekam, die sie von der Bühne fernhielten. »Genau wie dein nackter Kerl, wenn ich mich recht erinnere.«
Meta lachte laut auf und musste im nächsten Moment husten, weil sie sich verschluckt hatte. Während sie sich die Tränen aus den Augenwinkeln wischte, begann sie, Rahel von ihrem Ausflug in Davids Stadtviertel zu erzählen. Das Ganze hatte damit geendet, dass sie sich am frühen Abend völlig ausgelaugt auf den Rücksitz eines Taxis hatte fallen lassen, kaum fähig, die immer noch zitternden Beine ins Wageninnere nachzuziehen. David und sie hatten sich so sehr verausgabt, dass Meta nicht einmal eingeschnappt war, als er ihr völlig unvermittelt eröffnete, nun gehen zu müssen. Unsagbar mundfaul hatte sie ihm ihre Handynummer genannt, die er sich auf seiner Handfläche notiert hatte. Sie hatte auch nicht verwundert aufgeblickt, als er ihr erklärte, dass er selbst kein Telefon besaß.
»Das klingt ja alles ziemlich heiß«, meinte Rahel, deren Wangen vor Aufregung gerötet waren. Die Geschichte war anscheinend nach ihrem Geschmack. »Aber wenn ihr euch das nächste Mal ausgetobt habt, solltet ihr vielleicht auch ein paar Sätze wechseln. Oder meinst du, du wärst völlig überfordert, wenn dieser David tatsächlich auch noch mit einem Übermaß an Persönlichkeit auftrumpfen könnte?«
Meta winkte ab. »Ach, daran bin ich eigentlich gar nicht so brennend interessiert. Ich hätte wirklich nichts dagegen, in der nächsten Zeit ein paarmal mit ihm zu schlafen, aber für mehr reicht es bestimmt nicht.« Noch während sie die Worte aussprach, spürte Meta einen nagenden Zweifel in sich. Mehr um sich selbst als Rahel zu überzeugen, fügte sie hinzu: »Vermutlich brauche ich einfach nur Abwechslung, genau wie Karl.«
Einen Moment lang sah Rahel so aus, als wolle sie Metas unglaubwürdige Kaltschnäuzigkeit hinterfragen, sie entschied sich jedoch
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