Wintermond
hatte ihr atemlos eröffnet, dass sie David wiedergetroffen hatte.
»Und?«, hatte Rahel mit einem Lächeln gefragt.
Doch in diesem Moment war Meta zum einen klargeworden, dass sie sich wie ein verliebter Teenager aufführte, und zum anderen, dass es ihr unmöglich war, zu sagen, was David und sie direkt nach dem Wiedersehen getan hatten. Obwohl sich das Geschehene eigentlich mit wenigen Worten zusammenfassen ließ.
Rahel verstand sie auch so. Mit dem Fuß nahm sie Schwung und drehte sich einmal mit ihrem Drehstuhl um die eigene Achse, während sie ein »Unfassbar, ihr kleinen Schweine!« ausstieß. Augenblicklich begann Meta zu schwitzen und zog unauffällig ihre weit ausgeschnittene Chiffonbluse etwas hoch. Sie kam sich vor wie beim Rapport. Rahel drehte noch eine Ehrenrunde, dann bremste sie ab und stützte sich mit den Ellbogen auf die Schreibtischplatte, die vor lauter Papierkram und Kaffeebechern kaum zu sehen war.
Mit einem spitzbübischen Grinsen musterte sie Meta. »Weißt du, was wir heute Abend machen werden? Wein trinken und essen. Und wenn du dann so richtig schön entspannt und ganz benommen von der ungewohnten Kalorienmenge bist, dann erzählst du mir jedes dreckige Detail.«
»Um Gottes willen!«, hatte Meta entgegengehalten, aber trotzdem stand sie nun fast schon peinlich pünktlich vor Rahels Wohnung. Ihre Wangen waren gerötet, wobei sie selbst nicht wusste, ob aufgrund der Anstrengung oder der Aufregung. Sie war zum ersten Mal bei Rahel eingeladen, und im Innersten verspürte sie die Hoffnung, dass es nicht das letzte Mal sein würde.
Mit gewohntem Schwung riss Rahel die Wohnungstür auf und stand in einem T-Shirt und einer fleckigen Leinenhose da. Das Lockenhaar hatte sie am Hinterkopf zusammengezwirbelt, und Meta glaubte einen Bleistift anstelle einer Spange zu erkennen. Hätte ich mir mal lieber einen Jogginganzug statt des Seidenrockes angezogen, dachte Meta verdrossen.
»Guten Abend.« Während sie Rahel zunickte, hielt sie die Papiertüte wie einen Schutzschild vor sich.
»Na los, rein mit dir«, kommandierte Rahel und zog sie am Arm in den schmalen Flur. »Sieh zu, dass du diese Schuhe loswirst. In der Kommode im Schlafzimmer findest du Wollsocken. Und dann komm in die Küche. Die kannst du nicht verfehlen, hier gibt es nämlich nur zwei Räume. Ich brauche Hilfe beim Kleinschneiden, also guck mal, ob du nicht auch ein passendes T-Shirt findest. Du willst dir doch sicher nicht diesen Hauch von einem Oberteil ruinieren, oder?«
Während Rahel wie ein Maschinengewehr redete, nahm sie Meta die Tüte mit den Flaschen ab und schob sie in einen kleinen Raum voller Kissen, Decken und Stoffbahnen. Dabei ignorierte sie gekonnt Metas Versuche, erst einmal eine Rede über die ausgesuchten Weine zu halten. Im nächsten Moment war sie auch schon verschwunden.
Verlegen blickte sich Meta in dem fremden Schlafzimmer um. Es war auf die typische Rahel-Art ein einziges Chaos, was man eigentlich nicht unbedingt bei einer Buchhalterin vermuten würde. Überall lagen Kleidungsstücke herum, Bücher stapelten sich mitten im Raum, und an der Wand hing ein mit Stecknadeln angepinntes Jazzplakat.
Meta fischte ein Paar dicke Wollsocken aus der offen stehenden Kommodenlade und setzte sich auf das Bett. Als sie ihre Füße aus den Pumps befreite, konnte sie ein erleichtertes Stöhnen nicht unterdrücken. Ermutigt suchte sie sich ein Longsleeve aus einem der Haufen raus und wechselte es gegen das Top aus. Wohlweislich vermied sie einen Blick in den am Boden stehenden Spiegel, der mit Ketten und Blumengirlanden behängt war.
Sie fand Rahel im fast quadratischen Wohnraum wieder, in dem Küche und Sitzecke untergebracht waren. Eine Balkontür verriet, dass diese kleine Wohnung über den Luxus verfügte, nach draußen treten zu können - ein seltenes Gut in dieser Stadt, das von den meisten Besitzern allerdings noch seltener genutzt wurde. Ein einladend aussehendes Sofa war auf Holzklötze aufgebockt, so dass man locker an den blau gestrichenen Küchentisch reichte. Außerdem gab es noch zwei unterschiedliche Holzstühle, die Rahel jedoch an die Wand geschoben hatte, um ausreichend Platz für ihre Kochkünste zu haben. Über dem Sofa hing der Akt einer Melone essenden Frau, in Gelb- und Grüntönen gehalten.
»Gefällt mir«, sagte Meta mit Kennermiene.
»Freut mich«, entgegnete Rahel und drückte ihr eine Schüssel mit dampfenden Tomaten in die Hand. »Da müssen die Schalen ab und die Kerne raus.Aber
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