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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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gebildeten Frauen wie dir auch sehr viel besser funktionieren.Anekdoten darüber, welch schrecklichen Fauxpas sich die Verflossene zuschulden hat kommen lassen. Kleine Anspielungen, wie eine gemeinsame Bekannte das handhabe und was ja wohl gar nicht ginge. Ein Fingerzeig auf das Foto in einer Illustrierten mit ungläubig hochgezogenen Augenbrauen. Wie gesagt, Meta, die klugen  Mädchen lernen besonders schnell.Wer möchte schon von seinem Freund, diesem herausragenden Stellvertreter des männlichen Geschlechts, mit einem mitleidigen Blick bedacht werden, weil man bei der Auswahl von schlüpfrigen Bemerkungen beim Liebesspiel kläglich versagt? Nein, darauf kann man gern verzichten und übt sich im vorsorglichen Gehorsam.«
    »Du kennst dich ja gut aus«, sagte Meta. Die Beschreibung war ihr etwas zu passend geraten, fast wie eine Anklage. Aber sie unterdrückte das Bedürfnis, noch spitzfindiger zu reagieren, nur weil sie sich in die Ecke gedrängt glaubte.Was Rahel sagte, meinte sie ernst, und Meta wollte ihr dankbar dafür sein.
    »Meta«, sagte Rahel fast zärtlich, so dass es der schmalen Frau neben ihr leichtfiel, die schillernde Hülle abzustreifen, mit der sie ansonsten durchs Leben ging. »Es ist immer einfach, auf das Leben anderer zu blicken. Du brauchst meinen Rat nicht anzunehmen, wahrscheinlich kennen wir uns beide auch gar nicht gut genug. Aber könnte es sein, dass David dir in den paar Stunden, die ihr miteinander verbracht habt, etwas gegeben hat, zu dem Karl gar nicht imstande ist?« Als Meta sie skeptischen ansah, hob Rahel abwehrend die Hände. »Okay, da gab es bislang nur Sex, doch verrät der nicht auch eine ganze Menge?«
    Obwohl ihr eine scharfe Bemerkung auf der Zunge lag, hielt Meta sich zurück und versuchte, der Frage erst einmal nachzugehen. Es war bereits Nacht, und durch die abgelegene Straße, in der Rahel wohnte, fuhr zu dieser Zeit nur gelegentlich ein Auto. Über dem Dach des gegenüberliegenden Hauses war ein Streifen des sternenlosen Himmels zu sehen, und in den Fenstern standen Kerzen, die Rahel vor dem Essen angezündet hatte und die schon fast heruntergebrannt waren. Gedankenverloren starrte Meta in das weiche Kerzenlicht, das sich in der Fensterscheibe spiegelte.
    Auch wenn es ihr wenig zusagte, so musste sie Rahel abermals Recht geben.Wenn sie mit Karl ins Bett ging, dann hatte sie alles fest in der Hand und wusste genau, wie es ablaufen würde. Heute schnell und hart, morgen ein kleiner Striptease, eine fein inszenierte Vorstellung. Für echte Zärtlichkeiten oder Hingabe hatte sie den Sinn verloren.
    »David irritiert mich«, erklärte sie Rahel zögernd. »Sein Begehren hält sich nicht an die Regeln, die ich kenne. Er lässt sich von seiner Leidenschaft und dem Moment treiben, ergibt sich ganz seinen sinnlichen Bedürfnissen. Wenn ich mit ihm zusammen bin, kann ich mich einfach fallenlassen, mich hingeben, ohne auch nur einen Gedanken an die Art, wie ich wohl rüberkomme, zu verschwenden. Das kannte ich bislang nicht, und, ehrlich gesagt, bin ich mir unsicher, ob ich mit dieser Art von Leidenschaft nicht überfordert bin. Doch da ist noch etwas anderes, die Art, wie er mich anschaut.«
    Erneut hielt Meta inne und studierte Rahels Gesicht. Konnte sie sich wirklich so weit vorwagen? Zwar hatte sie bislang unglaublich viel von sich preisgegeben, aber die erotischen Eskapaden waren eher aufgeregtes Mädchengeplapper mit einer Prise Angeberei. Ernsthaft über Karl zu sprechen, war schmerzhaft genug, aber ihren Gefühlen für David Bedeutung zuzugestehen, erschien ihr unsagbar gefährlich. Meta wünschte sich, Rahel würde etwas sagen oder tun, was ihr die Entscheidung abnahm. Doch die saß nur geduldig da, das Weinglas vergessen in der Hand.
    »Nachdem David und ich miteinander fertig waren, haben wir uns unter die Dusche gestellt.Wir waren beide vollkommen erschöpft, das kannst du mir glauben.Also haben wir uns nebeneinander auf den Boden der Duschwanne gesetzt und das warme Wasser wie einen Sprühregen auf uns niedergehen lassen. Obwohl ich bestimmt ein Bild des Elends abgegeben habe mit meinem nassen Haar und dem zerlaufenen Make-up,  war mir das herzlich egal. Meinen Ehrgeiz als Schönheitskönigin hatte ich restlos verloren. Ich saß einfach neben ihm, ohne zu denken oder zu sprechen. Als ich mich später abtrocknete, beobachtete er mich mit einem unergründlichen Blick. Ich habe das kaum ausgehalten, diese wortlose Intimität. Aber seit unserem Abschied fehlt mir

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