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Winternacht

Winternacht

Titel: Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmine Galenorn
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Nachtschattengewächs. Um beide Oberarme flogen zwei Eulen über einen Vollmond, der von einem Dolch durchstoßen wurde. Und dann hatte er mir den Wolf gemacht: Von meinem linken Oberschenkel aus wand sich eine Efeuranke, die mit silbernen Rosen verziert war, quer über meinen Unterbauch und reichte über meine Rippen bis unter meinen rechten Arm. Eine Kette purpurfarbener Totenschädel durchzog sie, und direkt über meinem Bauchnabel blickte ein silberner Wolf mit grünen, leuchtenden Augen in die Welt hinaus.
    Von da an hatte der Wolf sich geregt, wann immer Gefahr im Verzug gewesen war. Wenn ich einsam gewesen war, hatte ich manchmal mit der Tätowierung gesprochen, und es war mir immer vorgekommen, als würde sie zuhören. Und als ich bald darauf auf einen kurzen Besuch nach Hause gekommen und Grieve im Wald begegnet war, erkannte ich, dass unser Verhältnis nicht länger von dem kindlichen Vertrauen, das ich bisher in ihn gehabt hatte, geprägt war. Ich war siebzehn, ich war erwachsen, und ich begann mich in den Feenprinzen zu verlieben.

    Der Goldene Wald hatte seine ganze Pracht entfaltet, das Blätterdach war grün und dicht. Die Sträucher hingen voller kleiner, harter Knospen, aus denen im August saftige Brombeeren bersten würden, und das Unterholz roch nach Sonne, Staub und trägen Nachmittagen. Auf dem weichen, üppig bewachsenen Boden machten meine Füße kein Geräusch.
    Rhiannon hatte es vorgezogen, im Haus zu bleiben. Sie war die ganze Zeit schon seltsam verschlossen, und mir war klar, dass etwas geschehen sein musste, aber sie wollte mir nichts erzählen. Heather hatte mir nur verraten, dass es vor zwei Jahren einen Unfall gegeben hatte und meine Cousine seitdem nicht mehr dieselbe war. Rhiannon und ich hatten früher immer über alles gesprochen, doch was immer vor zwei Jahren vorgefallen war, schien etwas zu sein, an dem nicht gerührt werden durfte.
    Also ging ich an jenem Nachmittag am Ende der Woche, die Krystal mir als Ferien zugestanden hatte, allein hinaus in den Wald, wo Rhiannon und ich als Kinder gespielt hatten. Sobald ich meinen Fuß auf den Pfad setzte, nahm mich das goldene Licht mit in eine Welt, die unendlich weit weg war von den dreckigen Straßen L. A.s oder San Franciscos oder in was für einer Stadt wir gerade an Geld zu kommen versuchten. Für mich waren das alles nur noch Namen, und ich konnte kaum noch unterscheiden, wo wir uns gerade aufhielten.
    Nun breitete ich die Arme aus und inhalierte tief. Ich war schon im vergangenen Jahr zu Hause gewesen – zum ersten Mal, seit Krystal mich weggeschleift hatte –, und ich hatte geweint, als ich wieder hatte gehen müssen. Auch damals war Rhiannon schon still gewesen, aber ich hatte gedacht, dass sie einfach schlecht gelaunt gewesen war, weil sie sich mal wieder mit ihrer Mutter Heather gestritten hatte.
    Bei diesem letzten Besuch war es geschehen, dass Grieve plötzlich hinter einem Baum hervortrat, und ich musste an all die langen Nachmittage meiner Kindheit denken, als er und Chatter mir und Rhiannon beigebracht hatten, wie wir unsere Zauberkräfte einsetzen konnten. Niemals waren die beiden aus der Rolle gefallen, niemals etwas anderes gewesen als Beschützer und Lehrer. Sie hatten mir gezeigt, wie ich mit dem Wind reden konnte, während Rhiannon lernte, das Feuer für ihre Zwecke zu nutzen.
    Ich ließ meinen Geist in den Windschatten herab, stieß einen leisen Pfiff aus und flüsterte: Grieve? Bist du da? Ich bin wieder zu Hause. Komm zu mir .
    Plötzlich trat der Feenprinz hinter einer hohen Zeder hervor. Er trug eine Cargohose in Tarnfarben, jedoch kein Hemd, aber ich wusste ja schon, dass seine Kleider ohnehin nur Illusion waren. Sein platinfarbenes Haar ergoss sich über seine Schultern, und seine Augen leuchteten blau im Kontrast zu seiner olivfarbenen Haut. Er war schlank und muskulös und durch und durch andersartig, mir bei aller Fremdheit jedoch absolut vertraut.
    »Cicely. Ich habe auf dich gewartet.« Seine Stimme klang angestrengt, und er sah mich so eindringlich an, dass ich mich plötzlich bloß und nackt fühlte. Dann bemerkte ich in seiner Hand eine Schachtel, die mit einem Band verziert war.
    »Was ist das?«, fragte ich und zeigte auf die Schachtel.
    Grieve sah sie einen Moment lang an, dann hielt er sie mir schweigend hin.
    Ich starrte sie an. »Ein Geschenk?«
    Er lehnte sich gegen einen Baum und schob die Hände in seine Taschen. »Das habe ich gefunden … Ich wollte es dir schon beim letzten Mal geben,

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