Winternacht
Wahrscheinlich hatte man die Heizungen für Stromausfälle eingesetzt, denn sie waren groß genug, um einen ganzen Raum zu erwärmen. Während sie sich warmliefen, ließ die beißende Kälte um uns herum langsam nach. Unwillkürlich begann ich zu lächeln, und die anderen taten es mir nach. Es ging doch nichts über wohlige Wärme, um die Stimmung aufzuhellen, wenn draußen vor der Tür ein eiskalter Wind heulte.
»Gut gemacht, Kumpel.« Kaylin klopfte Grieve auf den Rücken. »Ich wohne hier schon eine ganze Weile, habe die Dinger aber noch nie gesehen.«
»Ich habe ein Händchen dafür, Dinge zu finden.« Grieve grinste. »Ich wäre heute gern mit euch gekommen.«
»Aber das Haus der Schleier liegt zu nah am Goldenen Wald. Wir wollen es Myst nicht zu leicht machen, dich wieder in die Finger zu bekommen. Und das hier hilft uns ungeheuer – wir haben die Wärme so nötig.« Wieder lehnte ich mich an ihn und küsste ihn ausgiebig. Mein Magen knurrte. »Also, warm haben wir es jetzt, wie wäre es mit Essen?« Ich warf Luna einen Blick zu. »Haben wir etwas?«
Sie nickte, und während Kaylin und Wrath die Dinge sichteten, die wir mitgebracht hatten, trugen Rhiannon und Luna ein Laib Brot, Erdnussbutter und eine große Tüte getrocknete Rindfleischstreifen auf. Außerdem stellte Rhiannon eine Zwei-Liter-Flasche Cola auf den Tisch, während Luna eine große Schüssel mit Nudelsuppe heranschleppte. Peyton deckte Teller und Becher.
Ich blickte entzückt auf die Mahlzeit. Gut – ich hätte jetzt alles gegessen, aber ich wusste, dass die Suppe okay war, und sie wäre die einzige potenzielle Gefahrenquelle gewesen; ich war allergisch gegen Fischeiweiß und hatte stets meinen EpiPen bei mir.
Luna zuckte verlegen mit den Achseln. »Tut mir leid, dass ich nichts Raffinierteres zustande gebracht habe, aber …«
»Hey, es ist etwas Essbares. Ich habe als Kind oft genug aus der Mülltonne gegessen, und verglichen damit ist das hier ein Festessen. Glaub ja nicht, dass ich irgendwas von dem, was hier auf dem Tisch steht, verschmähen würde.«
Die Cola war kalt, und ich kippte zwei große Gläser herunter, bevor ich mich über Brot und Erdnussbutter hermachte. Grieve betrachtete die Nahrungsmittel und nahm schließlich einen Streifen Fleisch und Brot ohne alles, und mein Vater roch an der Erdnussbutter, bevor er sich ebenfalls für Fleisch und Brot entschied. Chatter war mutig, biss in ein Erdnussbutterbrot und sah einen Moment lang aus wie eine überraschte Katze, die unvermutet einen Klecks Schlagsahne bekommen hatte.
Die Suppe schmeckte nach Tüte und bestand aus nicht viel mehr als Nudeln und Brühe, aber sie war heiß und salzig und stillte das Bedürfnis nach etwas Warmem im Bauch.
Nachdem der schlimmste Hunger getilgt war, konnten wir dank Grieves Heizungen unsere Jacken ausziehen, und wir machten uns wieder daran, unsere Funde zu sichten. Ich hielt Heathers Buch hoch. »Seht mal, was ich habe. Vielleicht können wir es gebrauchen.«
Kaylin reichte mir einen Beutel, den ich sofort erkannte, und ich starrte fassungslos darauf. »Du hast meine magischen Werkzeuge gefunden.«
»Ich bin nach oben gegangen. So gefährlich war es gar nicht. Jedenfalls hatte die Treppe es nicht eilig, unter mir zusammenzubrechen. Meiner Meinung nach hat das Grundgerüst nicht gelitten. Wie auch immer – ja, ich habe deine Utensilien gefunden. Außerdem habe ich euch Mädels ein paar Klamotten eingepackt: Ich habe alles an mich gerafft, was für unsere Situation sinnvoll sein mag.« In seinen schwarzen Augen blitzte ein Lächeln auf, und ich war plötzlich dankbar, dass er auf unserer Seite war.
Peyton stieß einen entzückten Schrei aus. »Meine Karten! Ihr habt meine Tarotkarten mitgebracht.«
Lannan lachte leise. »Du klingst wie eine Spielsüchtige, die den Pokertisch vor sich sieht. Dachte mir doch, dass du sie gebrauchen könntest.« Für einen kurzen Augenblick klang er beinahe nett.
»Außerdem haben wir einen Sack Kräuter und ein paar Zauber, die ich in den letzten Tagen fertiggestellt habe. Übrigens habe ich auch noch eine große Tüte Katzenfutter gefunden, also sollte vielleicht jemand die Katzen füttern. Sie werden sich freuen, mal was anderes als Thunfisch zu bekommen.« Kaylin hatte einen Vorrat an Thunfisch angelegt und ihn mir zuliebe in den Raum geschafft, den wir für die Katzen hergerichtet hatten. Ich hatte nichts dagegen, die Katzentoiletten sauber zu machen, aber bei meiner Fischallergie würde ich mich
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