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Winters Knochen

Winters Knochen

Titel: Winters Knochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Woodrell
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wieder zu den beiden hin, um ihre Aufmerksamkeit zu erheischen. Sie deutete auf Moms Kopf, so als wollte sie sagen: Kriegt ihr das alles mit?
    »Du hast da noch Schaum«, sagte Harold.
    »Den kriegen wir mit der nächsten Kanne.«
    Sonny gab ein flaches Husten von sich und fragte: »Hast du noch was von dem Sirup?«
    »Nein. Der schmeckt euch beiden zu gut.«
    »Damit kriegt man aber gut das Kratzen im Hals los.«
    Eis hing an den Dachvorsprüngen und fing das Schmelzwasser auf, wodurch die Zapfen immer längerwurden, dicke gezackte Eisstücke waren durch das Fenster über der Spüle zu sehen. Die Sonne hing schwach und tief im Westen, ein Schmierfleck hinter halbhohen Wolken. Eine Brühe aus Hirschknochen köchelte auf dem Herd und gab einen wohltuenden Duft von sich.
    »Vielleicht mix ich euch später noch etwas Sirup – aber jetzt schaut her. Passt auf, wie man Moms Haare wäscht.«
    »Da ist immer noch Schaum im Ohr«, meinte Harold.
    »Vergiss den verdammten Schaum – schau zu, was ich euch zeigen will. Also, wenn die Seife gut ausgespült ist, kommt eigentlich Spülung drauf, aber wir haben nur noch Essig zur Hand. Also nehmen wir Essig. Schaut genau zu, wie ich ihn abmesse.«
    Das Fernsehen warb um die Aufmerksamkeit der Jungs. Hier, so tief im Tal, war der Empfang schlecht, sie bekamen nur zwei öffentliche Sender aus Arkansas rein, und die Nachmittagssendungen, die die Jungs so liebten, fingen bald an. Der grinsende Hund, der durch verschiedene Epochen geisterte und Abenteuern und historischen Erkenntnissen nachjagte, tauchte in einer glänzenden Rüstung auf dem Bildschirm auf. Als sich der Essigduft ausbreitete und Ree sich wieder über Mom beugte, glitten die beiden Jungs leise vom Küchentresen und verschwanden im Vorderzimmer, um dem weitgereisten Hund Gesellschaft zu leisten.
    Ree schaute ihnen nach.
    »Du wirst richtig gut aussehen, Mom.«
    »Wirklich?«
    »Ja. So gut, dass dir nach Ausgehen zumute sein wird, und wahrscheinlich fängst du an zu tanzen und wirfst die Zehen bis an die Decke.«
    »Wirklich?«
    »Hast du doch früher auch getan.«
    »Stimmt doch, oder? Das hab ich getan.«
    »War toll, dich dabei zu beobachten.«
    Ree drehte Moms Haare wie ein Seil zusammen und drückte, drückte und drehte. Die letzten Tropfen lösten sich und liefen Ree über Hand und Handgelenk. Sie trocknete sich an einem Handtuch ab. Dann legte sie das Handtuch über den Berg nasser Haare.
    »Setz dich an den Ofen, dann kann ich dich kämmen und dir die Haare trocknen.«
    Rings um den Kanonenofen gab es einen Wärmekreis, und Mom setzte sich aufrecht hin. Ree nahm einen groben Kamm, kämmte das Haar glatt nach hinten, tupfte es mit dem Handtuch ab und kämmte es wieder glatt. Als Dad im Knast war, hatte sich Mom an den Wochenenden hübsch gemacht, hatte sich richtig toll hergerichtet und sich ausführen lassen. Ihre Augen hatten geglänzt, und sie hatte wie ein junges Mädchen gewirkt, während sie wartete. Dann hatte ein Auto gehupt, und sie hatte gesagt: »Ich komm bald wieder, Baby. Viel Spaß.«
    Sie kam zum Frühstück zurück, wirkte erschöpft, stumpfsinnig, unruhig. Sie hatte gehofft, sie könne den Schmerz der Einsamkeit abschütteln, wenn sie in diese rauchigen Nächte aufbrach, doch das war nicht so einfach. Zum Frühstück war er wieder in ihren Augen.Manchmal hatte sie blaue Flecken, und Ree fragte sie, wer das gewesen sei, und Mom hatte geantwortet: »Ein Verehrer, zum Abschied.«
    »Du riechst gut, Mom.«
    »Wie Blumen?«
    »Auf eine Art schon.«
    Dann gab es eine Zeit, in der Mom Ree Einzelheiten aus diesen Nächten erzählte, von den Kaschemmen am Straßenrand oder den Partys im East Main Trailer-Park oder wie im River Bluff Motel die Dinge aus dem Ruder liefen. Als Mom spürte, dass die verräucherten Nächte für sie vorüber waren, und sie sich angewöhnt hatte, in ihrem Schaukelstuhl zu sitzen und ihre Erinnerungen daran zu befingern, war die Zeit des Geschichtenerzählens vorbei. Sie hatte in ihrem Leben wegen der Liebe schon oft Prügel einstecken müssen und war immer darüber hinweggekommen. Zurück blieben nur die fürchterlichen Verletzungen, die sie sich bei den One-Night-Stands geholt hatte, bei den Quickies im Motel mit Kerlen aus der Circle Z Ranch Bar oder gut aussehenden Tramps in der Stadt. Liebe und Hass gehen stets Hand in Hand, also war es nur natürlich, dass sie ab und zu in den frühen Morgenstunden durch erboste Eheleute durcheinandergerieten, da konnte es schon mal eine

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