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Winters Knochen

Winters Knochen

Titel: Winters Knochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Woodrell
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einen Augenblick nachdenken würdest, dann wüsstest du, dass wir das schon längst hätten tun können, wenn wir gewollt hätten.«
    »Setz dich nach hinten zu Tilly«, sagte Merab.
    Tilly war die Blonde. Ree stieg ein und zog sich den Sack über den Kopf. Tilly streckte die Hand aus und zupfte ihn zurecht, um sicherzustellen, dass Ree nichts sehen konnte. Der Sack roch nach altem Hafer und Sonne und kratzte Ree im Gesicht, wenn der Wagen durch Schlaglöcher fuhr. Über manche Schlaglöcher sprang er hinüber, andere traf er hart und mit seinem vollen Gewicht. Der Sack rutschte etwas zur Seite, Ree bekam besser Luft und sah einen Spalt Licht. Sie atmete den Geruch der Schwestern ein, ein durchdringender Geruch nach Euterfett und brauner Soße, nach Stroh und nassen Federn. Der Wagenschlug manchmal mit dem Heck aus und geriet in den Kurven ins Rutschen.
    »Verdammt«, sagte Merab, »hau doch nicht so auf die Bremse.«
    »Will ich aber. Und dann tu ich’s auch.«
    »Auf Schnee darf man sie nicht ganz durchtreten.«
    »In deinem Wagen kannst du das so machen. In meinem Wagen fahr ich genau so und nicht anders.«
    »Diese Straßen sind glatter, als du denkst.«
    »Hör mal, wenn ich einen Unfall baue, kannst du mir genau erklären, wieso. Bis dahin will ich kein Wort mehr hören.«
    Ree versuchte zu erraten, wo sie waren. Das hing ganz davon ab, wo sie das erste Mal von der Straße abgebogen waren. Bei der Schule? Oder schon vorher? Die eine Richtung bedeutete Bawbee, die andere Gullett Lake. Es sei denn, sie waren nach der Schule abgebogen. Doch sie bogen zu häufig ab, um die Strecke nachverfolgen zu können, und Ree verlor sich völlig in all den Kreuzungen und Möglichkeiten.
    »Gib Gas, okay?« forderte Tilly. »Ich will zu meiner Sendung zu Hause sein.«
    »Die lustige?«
    »So lustig finde ich die gar nicht.«
    »Welche meinst du dann?«
    »Die, die du lustig nennst. Ich finde sie eben nur nicht so lustig. Was ich mag, ist die Puppe, die im Keller lebt.«
    »Hast du dran gedacht, Benzin für die Kettensäge mitzunehmen?«
    »Die ist voll. Ich hab zu Hause nachgeschaut.«
    Der Wagen hüpfte hin und her. Reifen ächzten über unebene Flächen, ein Feld, einen Kuhpfad, ein Flussbett. Immer wieder stießen Ree und Tilly gegeneinander.
    Dann blieb der Wagen stehen und Merab meinte: »Mach das Tor auf.«
    »Soll ich es wieder zumachen oder auflassen, bis wir zurückfahren?«
    »Wir machen es auf dem Rückweg zu.«
    Hinter dem Tor fuhr der Wagen noch langsamer, was hieß, dass es unter den Reifen keinen Schotter mehr gab. Dann schwankte der Wagen, und Ree nahm an, dass sie über ein Maisfeld fuhren. Es gab da dieses Geräusch, wie wenn Maisstängel zerdrückt wurden.
    »Wo ist der Weg?«
    »Unter den Bäumen da.«
    »Halt an.«
    Tilly half Ree aus dem Wagen. Es war kalt, die Luft hatte Biss, und der Sack warf Falten. Der Schnee unter den Füßen knirschte, denn er war von einer eisigen Schicht überzogen. Irgendwo in der Entfernung gab ein Zug ein Warnsignal, weil er sich einem Bahnübergang näherte. Der Kofferraum sprang auf, und etwas wurde herausgehoben. Ree stand aufrecht und mit erhobenem Haupt da, für den Fall, dass das Schlimmste eintraf und sie schon bald vor der Faust der Götter stand, denn kein Gott mag Schwächlinge.
    »Wenn ich dir den Sack vom Kopf ziehe, weißt du vielleicht, wo wir sind«, erklärte Merab. »Ist eigentlich unwahrscheinlich,aber falls doch, vergisst du es am besten schnell wieder. Hast du verstanden? Versuch gar nicht erst zu erraten, wo du bist, und komm ja nie wieder her, falls du es doch weißt. Das können wir nicht dulden.« Der Sack wurde mit einem Ruck entfernt und auf den Rücksitz geworfen. Tilly schulterte eine Axt, die andere Schwester schleppte die Motorsäge. Merab hielt eine schwere Taschenlampe, die einen langen Lichtstrahl warf. »Ist noch ein Stück zu Fuß. Komm mit.«
    Ein Feld, eine Baumreihe, ein schmaler Pfad mit Tierspuren, der immer tiefer in den Wald führte. Ein fetter Mond und eine silbrige Landschaft. Merab folgte dem Lichtstrahl und führte sie über ein abgegrastes Feld, dann auf einem gewundenen Pfad über einen Hügel in das nächste Tal. Auf dem Pfad lagen heruntergewehte Äste und Zweige, die rutschig waren und den Frauen gegen die Schienbeine schlugen. Es hagelte Flüche und wütendes Gemurmel, doch dann hatten sie ihr Ziel erreicht. Die Frauen bildeten eine schnaufende Reihe und sahen hinab auf einen zugefrorenen kleinen See.
    »Dort ist er, Kind«,

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